REISEN
Wüstentaucher Eine Reportage aus der Sahara Man sieht nur, was man weiß. Der Schwede Sven Lindqvist wußte, dass die Wüste lebt, bevor er sie bereiste. Der dichtende Pilot Antoine de Saint-Exupéry (Der kleine Prinz) gab ihm eine Ahnung davon, wie es in den 1930er Jahren gewesen sein muss, mit einer klapprigen Flugmaschine irgendwo in der nächtlichen Wüste notzulanden, in der Westsahara. Der Autor, Doktor der Literaturgeschichte, besucht Cap Juby, heute Tarfaya, wo Saint-Exupéry Flughafenchef war. Er bereist Smara, eine Ruinenstadt in der Wüste, wohin der Abenteurer Michel Vieuchange 1930 als Frau verkleidet aufbrach, um die mystische Wüstenstadt zu entdecken, die, für Fremde verboten, von sahrawischen Stämmen beschützt wurde. Vieuchange stirbt, nachdem er sein Wüsten-Rom gesehen hat. Ebenso stirbt die Schriftstellerin Isabelle Eberhardt nach einem kurzen, wilden Leben, das sie, zeitweise als Mann verkleidet, führt. Lindqvist sucht ihr Grab in Ain Sefra auf, ist voll Bewunderung für die Frau, die das Aufbrechen als die mutigste und schönste aller Handlungen verstand. Und Lindqvist folgt André Gide und seinem "Immoralisten", der 1893 ebenfalls den Aufbruch predigte und dessen Weg bis zu den Oasenstädten Bou Saada und Biskra in der Nordsahara führte. Lindqvists Leitmotiv ist das des Brunnentauchers. Wasser ist in der Wüste bekanntlich ein gar kostbar Gut, für das kein Preis zu hoch ist. "Es macht die Wüste schön", schrieb schon Saint-Exupéry, "dass sie irgendwo einen Brunnen birgt". Die Kolonialherren warfen Leichen in die Brunnen, die Brunnentaucher entfernten sie. Die Brunnen versandeten, die Brunnentaucher reinigten sie. Tauchten in die metertiefen dunklen Schächte, um von deren Grund Eimer um Eimer voll Schlamm empor zu befördern. Eine gefährliche, qualvolle Sisyphosarbeit von niedrigem sozialen Status. Und doch unverzichtbar, wenn man in der Wüste überleben will. Was man auch für Vorstellungen von der Sahara hegt: Sie verändern sich komplett, so Lindqvist, wenn man sie bereist. Und findet doch das vor, wovon man immer geträumt hat. Julika Pohle
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Sven Lindqvist: Wüstentaucher. Auf den Spuren von Dichtern, Träumern und Generälen Aus dem Schwedischen von Sandra Nalepka. Haymon, Innsbruck 2002. 160 S., 17,90 Eu |