SCIENCE FICTION
Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein
Boris Strugatzkis Roman »Die Suche nach der Vorherbestimmung«
Aus dem zum Krawalligen neigenden Meer der Science Fiction ragen die Romane der Strugatzki-Brüder wie ein Leuchtturm hervor. Nach anfänglich staatstragenden, sozialistisch korrekten Romanen schrieben die Brüder in den 60er und 70er Jahren überaus komplexe phantastische Geschichten, die sich vor allem damit befassten, inwieweit der Einzelne überhaupt "die Geschichte" ändern kann. Und ob das gut ist.
Arkadi Strugatzki starb 1991, sein Bruder Boris schrieb 1992 den Roman Die Suche nach der Vorherbestimmung unter einem Pseudonym, unter dem er sonst Essays veröffentlicht. Es ist über weite Strecken ein Roman des 20. Jahrhunderts, seiner zweiten Hälfte. Der Ort der Handlung ist Leningrad (wo Boris Strugatzki lebt), wo der Mathematiker und Programierer Stanislaw ein ziemlich gewöhnliches Leben führt. Er ist nicht richtig angepasst, er liest Untergrund-Literatur, und er lästert, wie seine Freunde, im kleinen Kreis über das System. Aber er wehrt sich nicht. Eines Tages beschließt Stanislaw, einen Roman darüber zu schreiben, wie oft er bereits unter seltsamsten Bedingungen dem Tod entronnen ist (23 mal!) und stellt sich, ganz allgemein, die Frage, ob dies ein Zeichen dafür sei, dass er eine "Bestimmung" habe. Und worin diese bestehen könnte. Gleichzeitig stößt ein KGB-Offizier zufällig auf eine Reihe seltsamer Todesfälle, die eines gemeinsam haben: alle Toten standen in Beziehung zu Stanislaw. Er kann sie nicht ermordet haben, jedenfalls nicht mit herkömmlichen Mitteln. Ist Stanislaw ein Para-Begabter, ein Mensch mit übersinnlichen Fähigkeiten?
Später, im nach-sozialistschen Russland, wird Stanislaw, inzwischen von einigen Schicksalsschlägen gebeutelt, versuchen, sein "Talent" (an das er selbst nicht glaubt), für die Politik einzusetzen. Er will der erste Politker sein, der nur die Wahrheit sagt. Seine Karriere wird dadurch beschleunigt, dass seine Konkurrenten des öfteren eines seltsamen Tode sterben...
Trotz einer üppigen, spannenden Handlung ist Die Suche... ein Buch, in dem viel über Macht und ihre Ursprünge diskutiert wird. Strugatzkis These: wer immer und wozu auch immer Macht ausübt, und seine Absichten mögen noch so lauter sein, kann dies nur durch Furcht. Die Suche... ist ein philosophischer Roman, ein realistisches Zeugnis des Lebens in der Sowjetunion nach Stalin.
Das letzte Viertel des Romans mündet in eine rasante Action-Sequenz, in der alle Register der Phantastik gezogen werden. Und führt das Thema sauber und schlüssig zum Ende.
Nebenbei: was und wie Boris Strugatzki über Frauen denkt und schreibt, ist unsäglich und bisweilen schwer zu ertragen. Es ist immer wieder erstaunlich, welch gewaltige Defizite ansonsten kluge Männer haben können, sobald es um Frauen oder Religion geht.
Alex Coutts
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