HAGIOGRAPHIE
Frisch gesäubert Stoiber als größter Staatsmann seit Cäsar - das muß Satire sein. Die Einleitung ist wirklich komisch: "1941. Die Welt ist in Aufruhr. Im deutschen Namen stehen Soldaten vor Moskau, auf dem Balkan, in Frankreich, am Nordkap. Das war nicht friedlich geschehen, nicht ohne Gewalt abgegangen. Mehr noch: Es war Blut geflossen, es hatte Tote und Verletzte gegeben. ( ...) Das war schlimm, keine Frage. Aber man darf nicht vergessen: Es war damals Krieg." So etwa würde die Bielefelder Friedensgranate Maja Oetker über diese Zeit schreiben (Frau Oetker weigert sich ja, die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" zu besuchen, weil da behauptet wird, deutsche Soldaten hätten Gräueltaten im Osten begangen. Das aber, so Frau Oetker, kann nicht sein, denn: "Mein Vater war auch in der Wehrmacht"; im Zweifelsfall sind Konservative immer einen Tick bekloppter als ihre Parodisten ... wir schweifen ab). Peter Köhler und Jürgen Roth jedenfalls halten diesen Tonfall in Edmund G. Stoiber. Weltstaatsmann und Freund des Volkes eine Weile durch. Das ermüdet. Viele Seiten lang erfahren wir, wie der junge Dr. Stoiber "nix anbrennen" ließ: "Grosso mondo mithin schwängerte Stoiber (zumal in Gedanken) Dreiviertel des Allgäus und erfand den herrlichen Landstrich dergestalt im Vorübergehen auch gleich noch." Da stehen böser Gedanke und altertümlicher Stil einander auf dem Fuß. Die Masche, jeden Wortfetzen als Zitat auszuweisen, ist nicht mehr komisch (das wird nur noch von Parodisten gemacht, in den realen Vorbildern ist es weitgehend verschwunden), es ist auch eher unkomisch, wenn aus Roland Koch plötzlich "Roland Koth" wird. Die satirisch gemeinte Hagiographie fällt auseinander. Erfundenes vermischt sich mit Fakten, aus dünnen Ideen (Stoiber, der Musenfreund, Der Baumeister) werden dicke Kapitel. Erstaunlich ist, wie wenig den Autoren zu Stoiber einfällt, ihre stilistische Kapriolen sind beeindruckender als die Bosheiten, die sie darin verstecken. Am besten sind Köhler und Roth, wenn sie im Ehrerbietigen verharren. Wenn Stoibers Geburt beschrieben wird, steht da: "Die Hebamme säuberte Dr. Stoiber." Das ist komisch. Auch wenn vollkommen ernsthaft die Sprache verrutscht: "Hier wohnten seit 1938 die verheirateten Eheleute Georg Stoiber und seine Frau Elisabeth, geborene Zimmermann, beide echte Söhne aus der Oberpfalz." - das ist komisch. Und besonders die Beschreibung des Waigel-Stoiber-Zerwürfnis' hat Momente: "Stoiber stutzte: In Waigels Amtszeit waren die Bundesschulden von lächerlichen 541 Milliarden Mark auf 1,455 Billionen Mark gewachsen! Exakt derselbe Betrag, um den sich Waigels Privatvermögen vermehrt hatte! War das wirklich Zufall, grübelte Stoiber. Wir erwähnen ausdrücklich, daß Stoiber diese Gedanken schon damals, Anfang der neunziger Jahre, kamen, obwohl die Zahlen von 1998 stammen. Es paßt hier nämlich besser." Nett. Erich Sauer
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Peter Köhler, Jürgen Roth: Edmund G. Stoiber. Weltstaatsmann und Freund des Volkes Eichborn, Frankfurt 2002, 169 S., 12,95 EU |