Jon Stewart

Der Weltgeist

Viermal die Woche verdient der Komiker Jon Stewart sein Geld damit, eine Meinung zu haben. Dann sitzt er hinter dem Schreibtisch der »Daily Show« bei Comedy Central und hat genau 22 Minuten Zeit, die Welt zu erklären.

Im Januar 2015 werden es 16 Jahre sein, seit Stewart die Show übernahm und zu einer der besten Comedy-Sendungen entwickelte: Seine Zielgruppe ist jung, sodass sich die Werbekunden die Klinke in die Hand drücken und Stewart und sein Team keinerlei Druck ausgesetzt sind, was Themen oder deren Behandlung betrifft. Zudem wird seine Satiresendung in den USA inzwischen als wichtige Nachrichtenquelle genutzt. Je nach Umfrage nutzen bis zu 25% der Zuschauer unter 35 die Sendungen von Jon Stewart und seinen Komiker-Kollegen Bill Maher und Stephen Colbert, um sich zu informieren. In den USA sind Komödianten inzwischen glaubwürdiger als ihre Kollegen in den Nachrichtenzentralen; Stephen Colberts Comedy-Show "The Colbert Report" erhielt kürzlich einen Preis als die Sendung, die am besten über die umstrittenen "Super PACs" informierte, jene Konstruktionen, mit deren Hilfe unbeschränkt und anonym Millionen von Dollar in politische Kampagnen fließen.

All das begann 1999, als Stewart die "Daily Show" übernahm, bis dahin eine Sendung, die sich mit Fake-News über die Welt lustig machte und wenig politische Ansprüche erhob. Stewart war ein mäßig erfolgreicher Stand-Up Comedian aus New Jersey, der den eigenen Tonfall noch nicht so recht gefunden hatte und dessen Name für diverse Late Night Shows im Gespräch war, der aber nie zum Zuge kam.

Als er die Daily Show übernahm und änderte, lehnten ihn die meisten der Autoren dort ab, und eigentlich wollte Stewart die Brocken sofort wieder hinwerfen ("Hier hassen mich alle!") und ließ sich nur mühsam überreden, zu bleiben.

So steht es in der ersten Stewart-Biografie Angry Optimist. The Life And Times of Jon Stewart der Journalistin Lisa Rogak, die bereits Biografien über Stephen King und Stephen Colbert verfasst hat.

Rogak verwendet nur gut ein Drittel des Buches, um den biografischen Weg Stewarts zu zeichnen, über den nicht viel zu sagen ist, als dass er in behüteten Verhältnissen und als Scheidungskind aufwuchs. Dass Stewart ein Wut-Problem hat, schimmert bei Rogak immerhin durch.

Interessanter ist für Rogak (und den Leser) das Innenleben der Daily Show with Jon Stewart, ihre Wirkungsgeschichte (Stewart hat mal mit einem Auftritt zur Absetzung einer CNN-Sendung beigetragen) und warum Stewart, obwohl als "Liberaler" gekennzeichnet, auch von seinen Gegnern gemocht wird; seine Freundschaft mit dem reaktionären Kotzbrocken Bill O'Reilly von "Fox News" ist für viele ein Rätsel.

Stewarts Art, die Welt zu kommentieren, folgt immer dem Auftrag, zu unterhalten und Pointen zu setzen. Trotzdem ist jede Folge seiner Sendung aufklärerisch und lehrreich. Stewart versteckt seine Positionen nicht hinter nebligen Gags, er formuliert Standpunkte und Positionen, ebenso deutlich wie witzig.

Seine Sendung ist längst zur Kaderschmiede intelligenten Humors geworden. Seine langjährigen Mitarbeiter und "Korrespondenten" John Oliver und Stephen Colbert haben längst eigene Shows (Colbert wird ab Januar die Nachfolge von David Letterman antreten), Steve Carrell hat Filmkarriere gemacht, Michael Che wurde nach wenigen Monaten zu Saturday Night Live weggelobt, und Larry Wilmore, ehemaliger "Chief Black Corespondent" bei Stewart, wird ab Januar die Nachfolgeshow für The Colbert Report erhalten.

Im Sommer 2014 hat Stewart die Daily Show erstmals für acht Wochen verlassen und einen Film gedreht, für den er selbst das Drehbuch schrieb. Der Film handelt davon, wie ein iranischer Journalist im Gefängnis landet, weil er sich mit Jason Jones, einem der Korrespondenten der Daily Show, getroffen hatte, der aus Jux vorgab, ein amerikanischer Spion zu sein (Jones ist eigentlich Kanadier.). Über die 118 Tage, die Maziar Bahari dafür im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis saß, hat Bahari ein Buch geschrieben. Als Bahari Stewart bat, ihm zu helfen, die Filmrechte zu verkaufen und Stewart dabei keinen Erfolg hatte, übernahm er selbst Buch und Regie und drehte in Jordanien seinen ersten Film Rosewater, der bis jetzt keinen Verleih hat.

Dem komplexen Menschen Stewart nähert sich Rogak in ihrer Biografie, die bisher nur auf Englisch vorliegt, nur vorsichtig. Sie scheint nur wenige Gespräche mit ihm geführt zu haben. Der Titel des Buches provoziert eine der wenigen direkten Repliken von Stewart: "Ich bin Jude. Was für eine Art von Frage ist das éSind Sie Optimist?' Ich habe immer meine Koffer gepackt. Ist das Optimismus? Ich weiß nie, wann sie an meine Tür klopfen werden und mir befehlen zu gehen. Es gibt nur sehr wenige Länder, in denen es nicht mindestens ein Museum gibt zum Thema éUnd so war das, als wir euch verfolgt haben' Deshalb werden wir alle Komiker: Wir wollen bleiben".

Thomas Friedrich

Lisa Rogak: Angry Optimist. The Life And Times of Jon Stewart. Thomas Dunne Books, St. Martins Press, New York 2014, 273 S., 18,-