TRAURIGE FRAUEN
Egal wohin
In Anke Stellings Geschichten wollen alle einfach nur weg
Erwachsen oder nicht, sie war immer dieselbe. Wie ein Schneeball, den man über die verschneite Wiese rollt - er wird größer, weil etwas klebenbleibt, aber sonst verändert sich nichts." Mit solchen Sätzen beginnt Anke Stelling eine ihrer Geschichten in dem Band Glückliche Fügung. Alle handeln davon, dass das Leben jetzt eigentlich losgehen, dass sich etwas ändern müßte. Die jungen Frauen, die im Mittelpunkt fast aller Geschichten stehen, manchmal austauschbar wirken, schlagen die Zeit tot, kommen sich nutzlos vor, erleben nichts. "Beim Duschen überlegte Sandra, daß sie aufhören sollte zu duschen. Die ewige Körperpflege trug entscheidend dazu bei, das sie sich ungeliebt und unbeachtet vorkam. Jeden Morgen richtete sie etwas her, das den Tag über keinen Abnehmer fand und abends unbenutzt ins Bett zurückgelegt werden mußte." Glückliche Menschen tauchen hier nur als Statisten auf, als gut gelaunte Freunde, die man besuchen kann, weshalb es einem dann noch schlechter geht.
Einer der Heldinnen, Simone, gelingt, ganz aus Versehen, der große Coup: ein netter Mann (der sich zweimal täglich rasiert!), Haus auf dem Land, nette Nachbarn ... irgendwas ist hier faul! sagt Simone grimmig, und ich werde herausfinden, was es ist.
Als Erzählerin nimmt Anke Stelling sich dabei bemerkenswert zurück. Allein die Penetranz, mit der sie ihre zum Unglück fest entschlossenen Heldinnen vorstellt, könnte man als Vorwurf verstehen, auch wenn die Geschichten meistens keinen Ausgang anbieten, keine offensichtliche Lösung, der Melancholie zu entgehen; Georg Kreisler hat diese Haltung mal in die Zeile gefaßt: "Wir müssen fliehn, egal wohin".
Weil die Geschichten sich nicht unnötig wichtig machen, sich nicht stilistisch aufplustern, entsteht eine leise ironische Betrachtungsweise, die sich sozusagen durch die Ritzen des Elends schiebt. Man leidet durchaus mit den armen Frauen, die anscheinend im falschen Leben abgestellt wurden. Aber weil ihre Depressionen so maßlos, manchmal so unangemessen erscheinen, entsteht Komik. Das macht die Lage nicht besser, aber Glückliche Fügung zu einem unterhaltsamen Buch.
Thomas Friedrich
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