SCIENCE FICTION
Der Clown aus der Zukunft Norman Spinrad setzt auf dire Verbindung von Spiritismus und Wissenschaft Im Gegensatz zu vielen SF- und Fantasy-Schreibern, die uns mit 500seitigem Weltraumschrott und Drachengedöns versorgen, ist Norman Spinrad eine alte, ehrliche Haut gelieben. Er glaubt nicht nur, dass Literatur die Welt verändern kann, er findet sogar, dass sie das auch unbedingt sollte - vor allem und vorne weg: die Sciene Fiction. Die Transformation, sein gerade erschienenes jüngstes Werk, enthält insofern den ganzen Spinrad, weil auf der Hälfte der - uff! - 1100 Seiten über Zukunft, Moral, und Verantwortung für das "Raumschiff Erde" geredet wird. In einer viertklassigen Bar entdeckt ein Agent einen ziemlich unkomischen Komiker, der behauptet, aus der Zukunft zu kommen. Mit Hilfe eines leicht zynischen Science Fiction-Autors und einer recht weltlichen New Age-Tusse macht kreiert der Agent daraus "Ralfs Welt", eine TV-Show im Nachtprogramm, in welcher der Komiker aus der Zukunft das Publikum beschimpft, weil es ihn in so eine lausige Zukunft schicken wird. Die "Affenbyos und Affengörls", wie Komiker Ralf verächtlich die Menschheit bezeichnet, sind drauf und dran, ein "Totenschiff Erde" zu bauen, ökologisch im Arsch, wirtschaftlich bankrott. Dem SF-Autor und der New Age-Tusse, erfüllt von ehrlicher Sorge um die Menscheit, kommen bald Zweifel: ist Ralf wirklich nur ein mäßiger Komiker mit diversen Ticks, oder vielleicht doch das, was er behauptet zu sein, nämlich der "letzte schmutzige Trick der Menschheit", ein Reisender aus der Zukunft, der uns eine letzte Chance geben will, die Erde nicht zu versauen? Es hat beinahe was Rührendes, wie Spinrad von nun an das komplette Quantenvokabular und diverse spiritistisch-mysthische Erklärungsmuster bemüht, um mit einer Mischung aus Traumzeit und Probabilitätswellen ein pseudologisches Gedankengebäude zu errichten, in dem man sagen kann: wir sind, was wir träumen. Die Fee Glöckchen lebt, wenn wir an sie glauben! Wir müssen nur ehrlich an eine saubere Zukunft glauben, dann wird sie auch kommen. (Das erinnert mich an unsere letzte Praktikantin, die erklärte, sie habe als Kind einfach beschlossen, nie schlechte Zähne zu bekommen - und triumphierend ihr perfektes Gebiß bleckte). Spinrad ist nicht nur ein zynischer Träumer, er ist auch ein guter Autor. Die Transformation enthält mehrere Kapitel, die witzig, böse und klarsichtig sind. Eines handelt von einem SF-Fan-Kongreß, beschreibt also die Anhäufung von Menschen, die "figürlich schwer ins Birnenhafte" neigen, seltsame Kostüme tragen, Technobabbel reden und mit Autoren ficken wollen. Und doch macht Spinrad diese traurigen, vereinsamten Fans zu den letzten Hoffnungsträgern der Menschheit, sozial inkompetent, ungewaschen, mit kargem Sexleben ausgestattet - aber ernsthaft an der Zukunft der Menschheit interessiert. Auch über SF-Autoren lästert Spinrad fröhlich ab, vor allem Ron Hubbard und Gene Roddenberry gilt seine gepflegte Verachtung (und sein eingestandener Neid: jeder Autor möchte mal eine Idee haben, die sich in Gold verwandeln läßt wie Hubbards Sektensusen und Roddenberrys "Trekkie"-Merchandizing). Der SF-Autor in Die Transformation beteiligt sich zunächst an "Ralfs Welt", weil er sich einen Porsche kaufen will. Dass genau dieser Porsche das Mittel der Wahl ist, um die New Age-Tusse 'rumzukriegen und dass genau diese sexuelle Begegnung erst zur philantropischen Umkehr von "Ralfs Welt" führt, ist eine der klugen Gemeinheiten, von denen Spinrad einige eingebaut hat. Die Transformation ist viel zu lang, es wird zu viel und zu viel das Gleiche geredet. Der Effekt der kurzen Rückblende wird zu oft eingesetzt (und Übersetzer Pukallus sollte die Drogen wechseln). Wie so oft, verbirgt sich hinter dem dicken Buch eine dünne Parole: So wie wir sind, so sind die Zeiten! Die Transformation ist eine bissige, pessimistische Bestandsaufnahme. Dass die Rettung der Welt aus der Synthese von Wissenschaft und Spiritismus resultiert, ist ein Gedanke, den man nur in Momenten tiefster Niedergeschlagenheit zulassen sollte. Für solche Momente ist Spinrads Roman genau das richtige. Alex Coutts
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Norman Spinrad: Die Transformation. Aus dem Amerikanischen von Horst Pukallus. Heyne SF Nr. 6419, München 2002, 1116 S., 14,95 EU |