SPINNER
Atlantis, Bochum, Roswell und zurück Wenn Naturwissenschaftler am Rad drehen, eiert es ganz besonders Heinz Kaminksi war mal ein Hort der strengen Astronomie - und ihrer Popularisierung per selbstgegründeter Sternwarte in Bochum. Da war er 25. 15 Jahre danach setzte er ein Großplanetarium daneben, äußerte sich launig abfällig über aufgeregte UFO-Meldungen (unter anderem über Bielefeld), wurde Mitglied der industrienahen "Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt", wurde Professor gar - und in den 80ern Chef des eigenen "Instituts für Umwelt- und Zukunftsforschung". Aber dann kriegte er einen tieferen Kontakt mit dem Kosmos, von dem zumindest Heinz Kaminski sich nie wieder erholte. Mit ein paar Sternkartentricks glaubte der erweiterte Heinz Mitte der 90er nachweisen zu können, was Erdmagier seit Jahrtausenden schon zu wissen vorgaben: nahezu sämtliche vorgeschichtlichen Kultstätten der Welt hängen miteinander zusammen - und liegen auf astronomisch bestimmten Bahnen ("Sternstraßen"). Zufällig kreuzen sich die alle mitten im Atlantik, wo folglich das sagenhafte Atlantis gelegen haben könnte. Schließlich werden unsere Ahnen ja kaum klüger als ihr heutiger Deuter gewesen sein, und müssen also alle aus gemeinsamen Quellen abgeschrieben haben, statt einfach jeder seinen Tempel nach dem gestirnten Himmel über uns allen auszurichten. Umgekehrt schreibt Kaminski auch bloß ab. In seinem neuen Werk Atlantis. Die Realität allerdings weniger aus der umfangreichen und sehr kontroversen "Atlantis-Forschung" (akademisch in Deutschland seit einem Beschluß der kaiserlichen Akademie non grata), sondern von ein paar obskuren Vertretern einer selbsternannten "Geisteswissenschaft". Damit sind nicht die "weichen" Denkbemühungen im Gegensatz zur "harten" Naturwissenschaft gemeint, sondern die hellseherisch erzeugten "Ergebnisse" aus dem Umfeld der heute ziemlich unmodernen Antropo- und Theosophie (Rudolf Steiner, Edgar Cayce etc.). Die nun haben Atlantis anfang des Jahrhunderts genau so "gechannelt", wie es Kaminski heute in den Kram paßt. Was bei funktionierendem akademischen Betrieb jetzt mindestens ein Aberkennungsverfahren des Professoren-Titels auslösen müßte; wegen erwiesener Unwissenschaftlichkeit. Dazu kommt ein schreiend schlecht geschriebenes und lektoriertes Buch als Warnruf in einer evtl. Endphase der "Menschheitsentewikkelung" (sic!), mit Zitaten anstelle von Argumenten, starrsinniger Eigenbrötelei statt Überzeugungsanstrengung, quellenkritisch hinkendster Fußnotenarbeit und ohne den Zauber, den wider alle Einwände die großen Alten (Otto "Atlantis lag auf Helgoland" Muck etwa) für sich verbuchen können. Falls irgend jemand Kaminskis theoretische Katastrophe liest, ist das das Schlimmste, was dem spannenden Thema "Atlantis" passieren kann. Ganz anders Stanton T. Friedman. Als Nuklear-Physiker im oberen Mittelfeld, als Ufologe einer der ernsthaftesten, glaubt er seit Jahrzehnten ungefähr, daß die Fernsehserie Dark Skies ziemlich genau die Wahrheit wiedergibt. Sein Buch Top Secret. Die Akte Majestic 12 überzeugt selbst die härtesten Skeptiker, daß den Geheimdiensten (er hat selbst für sie gearbeitet) jedenfalls die nötige Vertuschungsenergie zuzutrauen ist. Als etwa eine Klage nach dem Akteneinsichtsgesetz (Freedom of Information Act) beim Bundesgericht anhängig war, entschieden die höchsten, unabhängigen Repräsentanten des amerikanischen Rechtssystems, daß es die nationale Sicherheit gefährde, wenn selbst nur sie allein Einsicht in vertrauliche "eyes only"-Unterlagen aus den 50ern erhielten. Das ist spannend. Und es wird noch spannender, weil Friedman die populären UFO-Spinner-Themen (die Autopsie von Roswell, der Ingenieur Lazar, der an UFO-Triebwerken gearbeitet haben will) für freche Fälschungen hält. Er glaubt nur seinen Akten. Den glauben wir zwar nicht, aber sie lassen sich wenigstens gut lesen (das komplette Geheimdienst-Handbuch zum Umgang mit E.T.-Leichen liegt bei), und wenn es UFOs gäbe, würden Leute wie Friedman sie finden. Zusatz für Laien: Majestic 12 ist der Code-Name einer Geheimdienstoperation, die möglicherweise den gerüchteweisen Absturz eines außerirdischen Raumschiffs im Gebiet Roswell/Soccoro in New Mexico im Jahr 1947 untersuchte. Und: die in den deutschen Medien (incl. FOCUS-TV) zum neulich weltweit auf das Skurrilste begangenen Roswell-Jahrestag kolportierte Erklärung, die Air Force habe bewiesen, daß die Augenzeugen-Berichte sich auf Dummy-Test-Puppen für Schleudersitz-Versuche beziehen, ist erweislich falsch. Der Himmel ist nach wie vor offen, Atlantis aber ist untergangener denn je - auch wenn das Gegenteil uns eigentlich besser ins geozentrische Welterklärungsbild paßte. Immerhin ist der Rückfall von Hochkultur zu Cargo-Kult eine unstreitig wiederholt beschrittende Geistesstraße, wohingegen wir uns die Erfindung des Walkman evtl. doch lieber auf die eigene Genialität anrechnen würden (Stanton T. Friedman legt nahe, der könne sozusagen die Teflon-Pfanne des Roswell-Zwischenfalls sein). WING
|
Heinz Kaminski: Atlantis. Die Realität bettendorf'sche Verlagsanstalt 1997, 287 S. Stanton T. Friedman: Top Secret. Die Akte Majestic 12 bettendorf'sche Verlagsanstalt 1997, 320 S. |