STEVEN SPIELBERG

Der Disney-Hitchcock

Georg Seesslen weiss, wie der erfolgreichste Regisseur aller Zeiten tickt

Die beiden kennen scheinbar das Geheimnis, den Zaubertrank. Der eine, Steven Spielberg, wie man das Publikum an seinen empfindlichsten Stellen berührt (Herz und Geldbeutel) - der andere, Georg Seesslen, wie man sich immer im passenden Augenblick einen weniger empfindlichen Teil auswringt. Gleich nach A.I. jedenfalls dachte sich Deutschlands schnellschreibendster Ästhet sein ca. 375stes Buch aus: Steven Spielberg und seine Filme.
Nun ja, gut jedenfalls, dass wirklich fast alle Filme gewürdigt werden; vom ersten kurzen (Amblin) bis zu verstecktesten Episoden von Columbo oder Seaquest; besser noch, dass auch die "Spielberg Factory" (vor allem Zemeckis und Dante) und deren TV-Engagement vorkommen; blöd aber um so mehr, dass viel TV-seitiges fehlt (Freakazoid!) und vor allem ein Register, um die verstreuten Seesleriana aufeinander beziehen zu können.
Das Buch springt nämlich wild in der Zeit herum, sammelt Spielbergs Filme um Seesslens Motive (das Kind, der Vater, Peter Pan, Moses ...) und weiss zu manchen Titeln zu wenig, zu den meisten zu viel zu sagen. Es wimmelt von "sozialen Methaphern", "mythischer Unterfütterung", "Verzahnung von Medium und Materialität" und derlei Wortgeklingel, das ganz von den wirklichen Funden ablenkt. Und den echten Patzern.
Außerdem tut es so, als wäre Spielberg ein so komplexer Charakter und Künstler, dass man bei jeder Bildbetrachtung das Gesamtwerk notwenig mitberücksichtigen müsse.
Seesslen weiss es natürlich besser: Spielberg hat kaum Visionen, keine wirkliche Handschrift und nur sehr eingeschränkt eine "dunkle, tiefe" Seite, die er an den glatten Kommerz verraten hätte. Aber er hat die richtige Nase für Ökonomie (selbst seine Flops kosteten ihn nicht sein eigenes Geld) und Publikum. Er habe das Kino "infantilisiert", zugegeben, aber nicht "barbarisiert", immerhin. Spielberg wollte doch immer nur die politischen und privaten Brüche Amerikas heilen, möglichst alle mit jedem versöhnen, eine grosse Familie haben - und reich sein.
Und Seesslen will nur möglichst an jedem Vorwand zeigen, was ihm sonst noch einfällt. Der Weisse Hai-zitiert am Anfang die Psycho-Dusche? Jurassic Park verspottet Freud? Spielberg geht einen dritten Weg zwischen Disney und Hitchcock? Aus dem Gedanken, immerhin, hätte sich ein Buch machen lassen, das man in einer Richtung durchlesen mag; statt dieses in einem Dutzend Richtungen zu keinem Schluß zu kriegen.
WING
Georg Seesslen: Steven Spielberg und seine Filme Schüren, Marburg 2001, 267 S., 38.73 DM