SONGS

Lebens-Lieder

Zwei Schrifsteller erinnern sich an Grooves & Tunes

Ich schreibe Bücher, weil ich keine Popsongs schreiben kann." steht auf einer grossen, freundlich roten Bauchbinde auf dem neuen Text-Sampler von Nick Hornby. Der enthält: 31 Songs. Genauer: Essays über 31 Songs, von ziemlich früher bis vorgestern, von den Beatles bis zum Teenage Fanclub. Und obwohl Nick Hornby zu allem eine sehr eigene Meinung hat und über fast alles sehr deutliche Urteile fällt, ist er gar nicht besserwisserisch dabei. Sondern manchmal geradezu weise. Hätte er in seiner Jugend nicht Rod Stewart gemocht, sondern etwa Jethro Tull, bemerkt er einmal, würde er heute wohl gar keine Musik mehr hören.
Hornbys erinnert sich nur scheinbar biografisch, er besteht darauf, über die Musik zu schreiben, nicht über die Erlebnisse, die er mit ihr hatte. Natürlich schreibt er trotzdem über sich, aber bei einem richtigen Schriftsteller (und einem richtigen Pop-Künstler) erweitern sich die Dönekes eben oft ins Grundsätzliche. Ob sein autistischer Sohn plötzlich ein paar Takte Gregory Isaacs geniesst, ob Badly Drawn Boy die Film-Musik zu Hornbys About A Boy singt oder Pattie Smith schon 2001 gegen einen drohenden Irak-Krieg rappt ... wer nur über Pop-Musik schreibt, scheint Hoirnby zu sagen, sollte auch das lassen.
Wie Christian Gasser zum Beispiel. Der legte mit Mein erster Sanyo angeblich die Bekenntisse eines Pop-Besessenen vor. Es ist dann aber doch nur die Verwechslung des eigenen Lebens mit etwas Interessantem. Nicht unamüsant zwar (wie man mit Hinterlist ein Mix-Tape zum Frauen-Rumkriegen baut), aber grässlich biografisch. Gasser presst jede Platte in sein Poesie-Album, protzt mit frühen Peinlichkeiten (ja, ich habe Abba gehört, aber nicht inhaliert) und spreizt sich damit, heute endlich so reif zu sein, nur noch obskures Indie-Zeugs anzufassen.
Auch Gasser weiss, dass die Leidenschaft über jedes bessere Wissen siegt. Aber leider weiss er auch immer noch, in welcher Reihenfolge er welche Platte kaufte. Dafür verschweigt die "überarbeitete und um Bonus-Tracks erweiterte" Taschenbuchausgabe, dass ihr Original im Jahre 2000 bloß eine Sammlung von Zeitungskolumnen aus der Berner Woche war. Jetzt kriegen wir immerhin ein Register der Namen und Song-Titel dazu, das Hornby geradezu programmatisch fehlt.
Ein direkter Vergleich: Gasser erwähnt Police gar nicht, Hornby findet an Puff Daddys "I'll be Missing You" das Police-Sample das einzig Kreative - Hornby entdeckt dann im Bootlegging etwa von Soulwax den neuen Punk, während Gasser sich immer noch schämt, einmal "Na Naa Na-na-naa" von Opus gesummt zu haben, wo er doch das 87er Laibach-Cover meinte.
WING
Nick Hornby: 31 Songs. Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Kiepenheuer & Witsch Köln 2003, 160 S., 14.90 ISBN: 3462032208
Christian Gasser: Mein erster Sanyo. Bekenntnisse eines Pop-Besessenen. Überarbeitete und um Bonustracks erweiterte Taschenbuchausgabe. Heyne München 2003, 253 S., 7.95 ISBN: 3453210824