MORAL-HIWIS

Alles Rassisten

Kay Sokolowsky erklärt uns in »Feindbild Moslem« die Welt und seinen geistigen Gesundheitszustand

Jeder Trottel kann sich heute durch den im Brustton der Empörung vorgebrachten Vorwurf des "Rassismus" zum sensiblen Gutmenschen hochjazzen lassen (im Moment entdecken die Republikaner gerade in Barack Obamas Umfeld Rassismus...). Nicht mal Typen wie Jean-Marie Le Pen oder Umberto Bossi wollen noch als Rassisten bezeichnet werden; Schade eigentlich, bei ihnen passte es so schön, der Begriff gewönne seine alte Klarheit zurück.

Moral-Hiwis

Und während vor Aufregung heißlaufende, vorlaute Moral-Hiwis lautstark quietschen, wenn irgendwo "Neger" gesagt wird, fährt im August 2009 eine deutsche Richterin in Bielefeld türkische Zeugen im Gerichtssaal an: "Wenn Sie sich hier nicht benehmen, schicken wir Sie ganz schnell wieder in die Türkei!", was irgendwie auch nicht rassistisch ist, bloß unverschämt.

Wie man den Begriff "Rassismus" derart einsetzt, dass durch seine Verwendung nichts beschrieben wird außer der allmählich sich verfestigende Hirnstillstand des Autors - dafür ist das gerade erschienene Büchlein Feindbild Moslem von Kay Sokolowsky ein schönes Beispiel.

Sokolowsky, irgendwie links und als Verfasser von Büchern über Harald Schmidt, Alice Schwarzer und Michael Moore so folgenlos geblieben wie als konkret-Autor, hat eine Anti-Moslem-Allianz entdeckt, gebildet aus "Spiegel", Alice Schwarzer, Henryk M. Broder und der Netz-Seite "Politically Incorrect".

Alle zusammen (die sich in Sokolowskys Buch erstmals begegnen dürften) schüren einen Rassismus, den man daran erkennt, dass sie alle gegen den Islam, gegen Islamismus und Islamisten sind.

Die Verschwörung erkennt Sokolowsky daran: Er nimmt eine Broder-Epistel über Islamisten und zitiert dann zustimmende und heftige Kommentare diverser Internetplattformen ohne Quellenangabe. Im Detail: Wenn Broder etwa schreibt, Scharia sei keine deutsche Rechtsnorm und irgendwo im Netz einer diesen Satz benutzt, um gegen "Kümmeltürken" und "Kameltreiber" zu hetzen, macht Sokolowsky daraus: DAS ist das Publikum, für das Brodel schreibt, pfui, pfui, pfui.

Islamismus und Muslime

Das Buch heißt allerdings Feindbild Moslem - und nicht "Feindbild Islamismus", anders wär' ja auch schlecht, da hätte ja keiner was gegen, denn am islamischen Fundamentalismus findet selbst Sokolowsky nicht alles in Ordnung; den Nine-Eleven etwa als Ausdruck der freien Religionsausübung empfindet auch er als übertrieben.

Kritik am Islam ist, so Sokolowsky, und ohne dass er das begründet, Kritik an "den Moslems", und das sind, das kommt jetzt wirklich überraschend, offensichtlich vor allem Türken.

Jetzt taucht der Autor tief ein in die Anfang der 90er in Deutschland grassierende Ausländerfeindlichkeit, die sich auch gegen Türken richtete (und gegen Tamilen, Vietnamesen, Serben, Schwarze...). Und so wird aus der (meinetwegen:) Islam-Feindlichkeit ein "Feindbild Moslem", wobei der Moslem (nochmal: warum auch immer, er erklärt es nicht) vor allem Türke ist. Und JETZT darf man endlich loslegen: Rassismus! weil es ja gegen Türken geht. Die sind zwar auch keine "Rasse" - so wenig übrigens wie Schwarze, Asiaten oder Bayern - aber wo wir so weit gekommen sind, wollen wir nicht kleinlich werden.

Kritik an Zwangsheirat, Burka und Familienfehden - bei Sokolowsky alles rassistisch motiviert. Geradezu rührend kann er sich seitenlang erregen über Ralph Giordano, der eine Burka tragende Frau als "Pinguin" bezeichnet hatte - da sieht Sokolowsky gleich die nazistische Menschenverachtung am Werke, die Menschen zu Tieren macht (in unserer Kindheit haben wir laufend und vermutlich mit gleichen Gründen der Wahrnehmung Nonnen als "Pinguine" bezeichnet, in aller Unschuld).

Wieso die Zugehörigkeit zu einer Religion Gegenstand rassistischer Anwürfe sein kann, erklärt Sokolowsky ebensowenig wie er die halsbrecherische Gleichsetzung von "Antiislamismus" und Antisemitismus begründet. Antisemitismus sei vor allem Verschwörungstheorie, die beim Antiislamismus ebenfalls eine große Rolle spiele - daher sei beides gleich zu bewerten. Dass man - um ein bekanntes Beispiel zu benutzten - Osama Bin Ladens Tätigkeit durchaus als "Verschwörung" bezeichnen kann und dass es in der jüdischen Geschichte nicht mal annähernd eine vergleichbare Figur gibt, weiß Sokolowsky schon wieder nicht.

Angst vor Juden?

Wenn Sokolowsky mal eine Definition versucht, geht das so: Rassismus ist, unabhängig von der historischen Situation oder Klassenzugehörigkeit, einfach Ausdruck von - jetzt nicht lachen! - Angst. Rassisten haben Angst vor "dem Fremden", weil der Veränderung bedeuten kann und die eigene Position zu gefährden vermag (echt, so dürftig sind heute "linke" Analysen ... ob die fetten Bosse seit Jahrzehnten was ins Müsli tun, was zwar gesund, aber auch blöd macht?).

Vor so viel eigenwilliger Moralität versagen natürlich so einfache Dinge wie - Argumente. Oder gar Geschichtskenntnisse. Die weißen Südstaatler des 19. Jahrhunderts, um nur ein Beispiel zu nehmen, hatten keine Angst vor ihren Sklaven. Es war wohl doch eher umgekehrt. Und hatten die Nazis wirklich Angst vor Juden und Zigeunern?

Das ist das Traurige: Rassismus ist eigentlich eine präzise zu beschreibende Haltung, die keinesfalls gleichzusetzen ist etwa mit Xenophobie (oder auch Ironie, um ULTIMO mal kurz unter die Arme zu greifen).

Wenn aber Typen wie Le Pen oder Bossi keine Rassisten mehr sein wollen und wenn Leute wie Sokolowsky Leute wie Giordano und Broder zu Rassisten erklären - dann kann man den Begriff getrost in jene Ecke pfeffern, wo Sokolowskys Bücher schon liegen.

Erich Sauer
Kay Sokolowsky: Feindbild Moslem. Rotbuch, Berlin 2009, 256 S., 16,90