COMPUTERWELTEN
Code Wars
Eric Smit erfindet den »Supercode« als wahres Märchen
Dies ist kein Thriller" steht in schwarzen Buchstaben auf einem gelben Aufkleber auf dem Umschlag. "Warning: Contains confidential Material" steht auf einem anderen. Aber: die Aufkleber sehen nur aus wie Aufkleber, sie sind fest aufgedruckt, und von der angeblich wahren Geschichte dahinter sind im Internet keine Spuren zu finden. Haben "sie" alles schon vertuscht?
Eric Smit, laut Klappentext Ex-Profi-Squasher und dann Wirtschafts-Journalist, erzählt von Jan Sloot, der etwa 1990 den Heiligen Gral der Computerei fand. Irgendwie schaffte es der Fernsehtechniker in seiner kleinen Reparatur-Bude in Nieuwegein, 16 komplette Kino-Filme auf einer Chip-Karte unterzubringen. Der verschrobene Erfinder gerät an zwielichtige Investoren, aber auch in die Welt der Hochfinanz und der Technologie-Multis.
Roel Pieper, zweiter Mann bei Philips, wirft seinen Job hin, um mit Sloot dessen Supercode wirtschaftlich auszubeuten. Aber zwei Tage vor Vertragsunterzeichnung fällt Sloot tot um, sein Bankschließfach mit Geschäftsunterlagen ist leer, sein Arbeitszimmer ist zum ersten Mal im Leben aufgeräumt ... der Supercode bleibt verschwunden.
Das Buch komponiert nun tonnenweise Interview-Material (mit scheinbar exakten Quellenangaben) und eine kolportagehafte Nacherzählung ("der Ingenieur lächelte mitleidig") zu einer Techno-Mystery ohne eigentliche Handlung. Es scheint eher darum zu gehen, wie man für Schnapsideen Venture-Kapital besorgt und wie man Fachleute gegeneinander ausspielt.
Ob es den Supercode je gab, ob Sloot ermordet wurde, ob Roel Pieper mehr weiss? Eric Smit behauptet, es nicht zu wissen. Wir vermuten mal, er heißt gar nicht Eric Smit (wir finden nur einen Computergrafiker und einen Tauchlehrer dieses Namens) und wollte sich einen Scherz machen.
Der scheint gelungen. Hunderte von "Buchbesprechungen" freuen sich schon über den spannenden Wirtschaftskrimi mit realer Grundlage. Immerhin: Roel Pieper ist echt, und er ist wirklich ein umtriebiger Investor in High-Tech.
Auch ist die "Daten-Kompression" ein spannendes Feld. Ein Film passt heute nur auf eine DVD, wenn man trickreich von 200 Einzel-Daten etwa 199 wegwirft, was auf nicht zu großen Fernsehern gerade noch ordentlich aussieht. Als theoretische Grenze für eine "verlustfreie" Kompression gilt in der Branche ein Verhältnis von 10:1. Alles, was Daten besser packen könnte, wäre sicher eine Menge Geld wert.
Zu seltsam ist es aber, dass der Klappentext von Der Supercode fantasiert, mit ihm könne man verlustfrei "eine halbe Million Filme auf einer CD" unterbringen, während ein angeblich geheimes Dossier im Netz (in Wirklichkeit ein Produkt des deutschen Verlages) von gerade mal "500" spricht, und das Buch selbst ausführlich erläutert, Sloots genialer Dreh sei, eben gar nicht zu komprimieren.
Die Idee ist eher andersherum: nicht jede Seite, jeden Satz eines Buches mühsam kleinrechnen, sondern eine Formel finden, mit der sich einfach aus dem Alfabet das Buch zurückrechnen lässt. Dieser Ansatz ist sogar älter als alle Computer und taucht in "Spinner-Kreisen" immer wieder mal auf.
Die haben allerdings Smits Supercode noch nicht entdeckt. Hätt' ich das Buch nicht hier vor mir, ich würde nicht glauben, dass es das gibt.
wing
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