WISSENSCHAFT
Vom Drachen zum Einhorn Über Sockenmonster und Voodoo Science Wie so viele Menschen macht auch Chistoph Bördlein die Erfahrung, dass Socken in der Waschmaschine irgendwie verschwinden; auf Dauer hat man jede Menge Einzelstücke. Dafür kann es mehrer Gründe geben: die Drehbewegungen der Waschtrommel erzeugen ein Schwarzes Loch, durch die die Socken in ein uns unbekanntes Universum verschwinden. Oder: es gibt einbeinige Diebe, die ihren Sockenbedarf heimlich an der Waschmaschine stillen. Oder aber es gibt ein sockenfressendes Monster in der Waschmaschine. Behaupten kann man vieles, aber wie man mit Behauptungen umgeht: davon handelt Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine. Eine Einführung ins skeptische Denken. Das enthält nichts sensationell Neues (zumindest nicht für Leute, die auch schon vorher nicht an Astrologie, Augendiagnostik und Sockenmonster glaubten), aber Bördlein hat alles fein geordnet zu einem "skeptischen Leitfaden", der einem helfen soll, in der Diskussion zu bestehen. Das beginnt mit einer Einführung "Was ist Wissenschaft?" (keine Glaubensgemeinschaft und schon gar keine Ansammlung von Wahrheit, sondern eine Methode, Behauptungen zu überprüfen), und erklärt, warum Allgemeinaussagen nur zu widerlegen, Existenzssätze wiederum nur zu beweisen sind (und wie man sich in Teufels Küche begibt, wenn man das verwechselt). Dazu lernen wir noch was über Wahrnehmungs- und Erinnerungsphänomene, warum Hypnose nicht funktioniert, dass der Vollmond nichts mit unseren Schlafgewohnheiten zu tun hat und dass "verdrängte Erinnerungen" ein ziemlicher Humbug sind. Der Tonfall ist locker, die Sprache leicht verständlich. Bördlein ist Mitglied der "GWUP", der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften", die sich auf fröhlichen Skeptizismus spezialisiert hat. So unterscheidet er beim Thema "Entführt von Ufos" sehr genau, ob die Betroffenen das wirklich erlebt haben (ja) und ob es wirklich passiert ist (nein). Bördleins Buch lädt selbst da zum Skeptizismus ein, wo er das gar nicht beabsichtigt (seine Ausflüge in die Physik sind bisweilen recht hanebüchen). Und aus Carl Sagans "Drache in der Garage" macht er ein plagiatsverdächtiges "Einhorn im Garten", allerdings ohne Sagans geniale Schlußbemerkung wenigstens anzudeuten. Sagan hatte sein Gedankenexperiment über einen "Drachen in der Garage", den außer dem Besitzer niemand sehen kann und der mit keinerlei physikalischen Methoden nachzuweisen ist, mit der schönen Bemerkung abgeschlossen: "Was unterscheidet nun einen unsichtbaren, körperlosen, schwebenden Drachen, der wärmeloses Feuer speit, von einem Drachen, der überhaupt nicht existiert?" Damit sind wir wieder bei der Frage, was Wissenschaft ist und wie sie funktioniert. Der US-Physiker Robert Park schreibt in seinem Buch Voodoo Science, zu jeder Behauptung müßten sich zwei Fragen stellen lassen: "Ist es möglich, ein Experiment zu Testzwecken durchzuführen? Wird die Welt dadurch besser verständlich? Wenn die Antwort auf eine der Fragen nein lautet, handelt es sich nicht um Wissenschaft." Wer so eine hohe Meinung von der Wissenschaft hat, darf natürlich auch mächtig lospoltern, wenn es etwa um "Alternativ-Medizin", von der Homöopathie bis zum Qi Gong geht. (Wobei Park ein freundlicher Zyniker ist: Er findet, dass die "alternativen" Heilmethoden einiges zur Volksgesundheit beitragen - weil sie nämlich vollkommen wirkungslos sind und damit dem Körper erlauben, in aller Ruhe eigene Abwehrkräfte zu mobilisieren). Er poltert gegen die immer wieder angeblich entdeckte "kalte Fusion", gegen die vollkommen nutzlose bemannte Raumfahrt und gegen immer wieder neu erfundene "endlose freie Energiequellen" (das tut er unter der sardonischen Kapitelüberschrift "Wir brauchen dringend ein Gesetz gegen die Thermodynamik"). Er erzählt, warum Edward Teller ein Blödmann ist, wohin Ronald Reagans berühmter "Röntgenlaser" verschwand, dass Starkstrommasten keine Leukämie auslösen und wie man angebliche Heiler entlarvt, die einem die Aura massieren wollen. Park zeigt auf, dass das wissenschaftliche System das einzig brauchbare ist, auch wenn es haufenweise Irrtümer und Fehler produziert. Und dass man Voodoo-Wissenschaft auch daran erkennt, dass die Beweislage sich nie ändert: Es gibt seit 50 Jahren immer nur unscharfe Ufo-Fotos. Erich Sauer
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Christoph Bördlein: Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine. Eine Einführung ins skeptische Denken Alibri Verlag, Aschaffenburg 2002, 199 S., 14,- EU Robert Park: Fauler Zauber. Betrug und Irrtum in den Wissenschaften. Wie wir reingelegt werden und uns schützen können Aus dem Amerikanischen von AMS / Dirk Oetzmann. Europa Verlag, Hamburg / Wien 2002, 255 S., 19,90 EU |