MÄRCHEN Wellenbad der Gefühle Andrew Kaufman setzt in »Nach dir die Sintflut« Kanada unter Wasser Andrew Kaufman hat es mit dem Wasser und den Märchen. In seinem ersten Roman Alle meine Freunde sind Superhelden rettete der Held einen Amphibienmenschen aus einem Poolabfluss und geriet in ein bizarres Wirrwar seltsamer Charaktere. In seinem zweiten geht eine Wasserfrau an Land und sucht ihre Mutter, die vor langer Zeit die Paläste der Aquatiker verliess. Jetzt fährt sie in einem gestohlenen Auto durch Kanada, hat mit der Automatik-Schaltung weniger Schwierigkeiten als der Autor, und steht erst mal den übrigen Figuren sehr im Weg. Da gibt es eine Frau mit der seltsamen Eigenschaft, ihre Gefühle so auszustrahlen, dass jeder sie fühlt. Da gibt es einen Mann, der darunter leidet, dass nicht er um seine verstorbene Frau trauert, sondern ihre Schwester, die Ausstrahlerin, neben ihm. Da gibt es Gott, der dem einen als Bahnhofspennerin erscheint und dem anderen den Bau einer Arche in Kanada aufträgt. Und es gibt zwei Regenmacher, die sich spinnefeind sind und einen Niederschlags-Wettkampf austragen. Das alles wäre nur ein Figuren-Kaleidoskop aus dem Creative-Writing-Kurs, wenn Andrew Kaufman nicht eine schön veschachtelte Erzählweise gefunden hätte, die seinen Menschen immer nur ein Stück weit aus ihrer Perspektive folgt und seine Wasserfrau verbindend durch die Episoden fahren lässt. So hat man an einem Einfall gerade so viel Spass, bis ein Sichtweisenwechsel uns zeigt, das andere auch ihr Päckchen zu tragen haben. A propos Päckchen: Einer der schönsten Einfälle ist, dass die Gefühlsausstrahlerin lernte, ihre störend überschiessenden Emotionen an Gegenstände zu binden und die dann mit den Jahren in einem Lagerhaus wegzuschließen. Da gibt es dann einen Wasserschaden. Wing
Andrew Kaufman: Nach dir die Sintflut. Aus dem kanad. Englisch von Eva Bonné, Luchterhand, München 2010, 287 S., 9,-
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