SIMMEL
Ewige Feindschaft Wütende Aufsätze eines älteren Herrn Über Simmels literarische Qualitäten reden wir hier nicht. Er selbst fegt jeden Einwand, er sei einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Welt, mürrisch und zu Recht beiseite. Aber neben dem Kolportage-Schriftsteller Simmel, dessen Buchtitel Sprichwort-Charakter erlangten, gibt es auch den politischen Autor Simmel, den zornigen Schriftsteller, der sich für eine Kinderkrebs-Klinik einsetzt oder zur Eröffnung der Wehrmachtsausstellung eine Rede hält, in der er, auf Österreich bezogen, den schönen Satz sagt: "Auch kleine Länder können große Verbrechen begehen." Die Bienen sind verrückt geworden, eine Sammlung von Aufsätzen und Reden, erschien, das ist nicht ganz unwichtig, vor dem 11. September. Denn die Welt war ja schon vorher verrückt, und die Nazis und Jung-Nazis, die noch Anfang der 90er Asylbewerberheime und Asylbewerber ansteckten, sind ja nicht gestorben oder bekehrt worden (so wenig wie die Politiker, die Verständnis für sie äußerten), sie sind nur vorübergehend aus dem Blickfeld geraten. Simmel nennt sich einen Sozialisten, also jemanden, der den Kapitalismus nicht für die alleinseligmachende Wirtschaftsform hält. Simmel lästert über Jörg Haider, Kurt Waldheim, die deutsche Wehrmacht, CDU-Politiker, wendige Sozialdemokraten. Wie in seinen Büchern macht Simmel das nicht gerade brillant, aber mit offen gezeigter Wut. Er zitiert aus einem seiner Romane: "Ich trinke auf das Wohl aller weisen Politiker und tapferen Generäle, alle wunderbaren Ideologen und verehrungswürdigen Bewahrer sämtlicher Religionen, die in dieser Welt seit Jahrtausenden um Frieden, Glück und Gerechtigkeit kämpfen - und auf das Wohl aller armen Schweine, die diesen blutigen Schlamassel auszubaden haben." Das ist, nicht nur vom Tonfall her, arg bei Kästner abgeguckt. Trotzdem: Man kann schlechtere Saufkumpane erwischen als Johannes Mario Simmel. Thomas Friedrich
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Johannes Mario Simmel: Die Bienen sind verrückt geworden. Reden und Aufsätze über unsere wahnsinnige Welt C.H. Beck, beck'sche Reihe Nr. 1419, München 2001, 210 S., 19,90 DM |