KRIMI
Casinos und Büstenhalter Wikinger-Mädels in Nylon-Büstenhaltern paddeln durch die Everglades - Lawrence Shames schreibt wieder über Miami Murray Zemelman hat sein ganzes Leben lang Büstenhalter entworfen, produziert und verkauft. Die BH-Fabrik in New Jersey kaufte er Ende der 60er, als mit dem öffentlichen Verbrennen der Büstenhalter endgültig das Zeitalter der freischwingenden Brüste zu beginnen schien und BH-Produzenten angst hatten, vor der Pleite zu stehen. Jeden Trend hat er seither mitgemacht, nichts anderes als BHs hergestellt, und eines Tages hat er die (kleinbrüstige) Frau an seiner Seite verlassen und seine großbusige Sekretärin geheiratet. Heute weiß Murry Zemelman, daß das ein Fehler war. Heute leidet Murray Zemelman unter schweren Depressionen, weshalb er in einem lichten Moment alles hinschmeißt, nach Key West fährt, dort ein Appartment mietet und beim Angeln einen mürrischen Indianer kennenlernt, Tommy Tarpon, den letzten seines Stammes. Tommy Tarpon hat gesetzlichen Anspruch auf eine mückenverseuchte Insel in den Sümpfen, für die sich niemand interessiert. Als Indianer hat er - und nur er! - allerdings das Recht, dort zum Beispiel ein Casino zu betreiben. Diese Möglichkeit wiederum interessiert den örtlichen Obergauner Charlie Ponte ungemein. Der zuständige Senator ist Ponte noch was schuldig, weshalb der Indianer plötzlich ein Angebot erhält, das er eigentlich nicht ablehnen kann. Und weil Murray mittendrin hängt, hat der Büstenhalterfabrikant aus New Jersey es plötzlich mit der örtlichen Mafia, zwei Mietkillern und einem korrupten Senator zu tun, die ihm ans Leben wollen. Wie schon Sunburn - Stille Tage in Key West ist Tropentief oder Heiße Nächte in Key West kein Krimi, sondern eine Komödie mit krimineller Handlung. Wie der jüdische Wäschefabrikant und der Sumpf-Indianer zueinanderfinden (ihr Casino soll "Casino der verlorenen Stämme" heißen), wie Murray Zemelman es schafft, all seine Verbündeten zu mobilisieren (seinen Chef-Buchhalter, seinen Psychiater, seine Ex-Frau, den Alt-Gangster Andy the Dandy), um der Mafia einen Kampf hinzulegen, von dem man noch lange sprechen wird, das ist so realistisch wie Burt Reynolds' Senator-Darstellung in "Striptease"; also irgendwie schräg, aber nicht unwahrscheinlich. Höhepunkt - aber noch nicht das Ende - ist eine überraschend auftauchende Truppe weiblicher Wikinger, die, nur mit BHs bekleidet, durch die nächtlichen Everglades rudert, daß den Gangstern das Maul offensteht und sie darüber ganz das Schießen vergessen. Dabei ist Shames' Stil sehr trocken und zurückhaltend, er braucht nur wenige Sätze, um Situationen und Figuren gut zu plazieren, und sein größter Verbündeter in der Komik ist der Realismus. Wo hat man schon einmal gelesen, wie sehr große, kräftige Gangster darunter leiden, tagelang vom Auto aus ein Haus beobachten zu müssen? - der trockene Schweiß, der üble Mundgeruch, das Jucken zwischen den Zehen, weil man sich 48 Stunden lang nicht frischmachen konnte, all dies schlägt schwer auf die Moral. Un während die Gangster vor Murrays Haus warten und stinken, sitzt der, schlammverkrustet (zum Schutz gegen Moskitos) mit dem Indianer, seiner Ex-Frau, seinem Psychiater und einem Journalisten irgendwo auf einer Sumpf-Insel und überlegt, wie er Charlie Ponte eins auswischen kann. Alex Coutts
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Lawrence Shames: Tropentief oder: Heiße Nächte in Key West Aus dem Amerikanischen von Veronika Cordes. Europa Verlag 1997, 352 S., 44,- DM |