SCIENCE FICTION
Mit Heidegger in die Zukunft
Das Heyne-Jahrbuch zu einem arg gerupften Genre
Es gibt ja so viele Definitionen von "Science Fiction" wie es Zukünfte gibt. Die Jungs und Mädels aus der Heyne-Ecke (hinter ihrem Anführer Wolfgang Jeschke) fühlten sich dabei immer der aufklärerischen Seite des Genres verpflichtet. Man hat hier wenig bis nichts mit Star Wars am Hut und findet Star Trek eher peinlich und lobt stattdessen kleine SF-Filme wie Michael Winterbottoms Code 46, den kaum jemand gesehen hat.
Das Jahrbuch zum Genre erscheint seit 1986 im Heyne Verlag, früher herausgegeben von Wolfgang Jeschke (heute ist er nur noch Co-Herausgeber neben Sascha Mamczak), und obwohl das Jahrbuch für den Verlag wohl ein Zuschussgeschäft ist, wurde es über die Jahres dicker und größer; das aktuelle bringt es auf über 1500 Seiten. Man läßt es sich was kosten, Marktführer zu sein. Sehr schön.
Anfangs war das Jahrbuch nur ein Rundbrief für die Gemeinde: Sämtliche Neuerscheinungen wurden aufgeführt, es wurde im Vorwort darum gebeten, Manuskripte pünktlich abzugeben, haufenweise seltsame Tabellen informierten über Verkaufcharts, und Herr Jeschke erläuterte die Nummerierungs-Politik der Reihe. Das wollte, außer den Hardcore-Fans, niemand wissen.
Tabellen und ähnliches Gedöns sind inzwischen auf ein Minimum eingedampft worden. Dafür befasst sich Das Science Fiction Jahr 2006 mit dem inter4essanten Schwerpunktthema "Der SF-Film", wofür schon mal die ersten 500 Seiten draufgehen.
Hier zählt nicht nur die Masse, die Beiträge sind fast durchweg lesenswert, ergänzen einander und sind gut redigiert worden. Da geht's von Robocop bis Pixar, um Aliens als Erlöser, Parodien im SF-Film, Comic-Helden im Kino - das Feld wurde gut abgesteckt, was hier über das SF-Kino der letzten 40 Jahre steht, daraus machen andere zwei Bücher.
Michael K. Iwoleit befasst sich mit der SF-Ikone Stanislaw Lem, die mehr schreibt und redet, als gut ist; inzwischen ist Lem gestorben, was die Jahrbuch-Macher ärgern wird, denn Lem nur als Besserwisser gewürdigt zu haben, trifft die Sache nicht richtig.
Nett ist der (inzwischen recht kurze) Rezensionsteil, in dem - offensichtlich nicht vollständig - Filme, Bücher, Comics und PC-Spiele (warum keine Brett-Spiele?) vorgestellt werden. Der SF-Begriff wird dabei bisweilen recht weit gefasst. Was das Metzelmovie Saw mit SF zu tun hat, erschließt sich nicht.
Weiterhin gibt es ein großes Interview mit Wolfgang Jeschke (er wird zurecht als "Obi-Wan Kenobi der deutschen SF" vorgestellt), einen Überblick über Hörspielproduktionen, einen ausführlichen Nachruf-Teil (vor allem über Carl Amery und Robert Sheckley), und irgendwo versucht jemand, mithilfe von Martin Heidegger "SF" zu definieren; es hat dümmere Versuche gegeben.
Der SF-Almanach ist dick und teuer, aber in seiner Vielfalt und seinem Witz nicht nur für Fans ein Lesevergnügen. Auch, weil hier verschiedene Positionen friedlich nebeneinander stehen. Spielbergs Krieg der Welten wird gelobt und anderswo im Buch verrissen. Beide Standpunkte sind dabei erhellend und gut begründet. Mehr kamnn ein gutes Jahrbuch kaum leisten.
Alex Coutts
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