WIR WAREN HELDEN
Was tun, wenn's brennt?
»Der schwarze Stern der Tupamaros« ist leider nicht Gerhard Seyfrieds Lebensroman
Die roten Zellen futtern Negerküsse, baggern Bräute an und schmeissen Mollis auf unbesetzte Bullenschaukeln. Etwa so brisant geht es zu im zweiten historischen Roman des ehemaligen Comic-Zeichners. Im Nachwort erklärt Gerhard Seyfried zur Entschuldigung, damals habe man schließlich noch nicht politisch korrekt gesprochen, natürlich wisse er, dass man heute zum Beispiel Tussen sagt.
Da blitzt der Schalk des großen Comic-Zeitgeschichtlers der 70er noch einmal auf. So wie in einigen Episoden seines Romans der undogmatischen Linken, die zum Teil direkt aus Comics abgeschrieben wurden. Kommt ein R4 voller Spontis an die Zonengrenze; "Waffen, Sprengstoff, Drogen?" fragt der VoPo; "Danke, wir sind versorgt" sagen die Insassen. Damals haben wir alle gelacht.
So wie etwa über die Karikatur in der Münchner Stadtillustrierten "Das Blatt", die zur erfolgreichen Geiselnahme und Gefangenenbefreiung rund um Peter Lorenz 1975 meldete: "Einigung zwischen Geiselgeberverband und Geiselnehmervertretung". Gerhard Seyfried war da Zeichner. Sein Roman-Held Fred Richter schaut nur mal rein, um vor der neuen Flamme mit politischen Kontakten anzugeben.
Ganz ähnlich werden heutige Eltern ihren Nachwuchs in den Roman ihrer eigenen verpassten Heldentaten schauen lassen: Guckt mal, beinahe wäre ich mit dabei gewesen, aber ich musste ins Seminar, der Sprit war alle und meine Freundin hatte andere Pläne.
Fred Richters Freundin auch. Sie hat die Spaßguerilla-Aktionen und elend langen Strategiedebatten über den Widerstand rechts von der RAF satt. Man darf Banken überfallen, muss aber Negerküsse an die Angestellten verteilen, um zu zeigen, dass dies eine Aktion für das Volk ist. Das ist romantisch, aber uneffektiv. Jenny wird verhaftet, Jenny flieht, Jenny taucht unter, und Fred und Jenny treffen sich hin und wieder im Untergrund, zuweilen von der Stasi überwacht, damit die Zeitläufte ihr "typisches" Protagonisten-Drama kriegen.
Leider ist es bloß nicht dramatisch. Seyfried haspelt sich weitgehend dröge durch hunderterlei Einzelheiten, und auch wenn die mal lustig, kritisch, erhellend sind, bleiben die Figuren unerlebend blass. "Bonnie & Clyde" sehen Fred und Jenny nur im Kino.
Seyfried wollte das so. Sein erster Roman (über den deutschen Völkermord in Namibia), ist ja auch extrem unkomisch ausgefallen. Und langweilig dazu. Und da wie hier hat der Autor seinen durchaus tragischen Stoff nicht bewältigt.
Er hat diesmal eher ein Heimatmuseum der Mit-70er-Linken eingerichtet, mit schnurrig erfundenen Episoden und hilflos dazwischen geklebten Fakten. Jeder, der spätestens in Brokdorf nicht unter den Wasserwerfer kam, weil er den Demo-Bus zurück nach Haus erwischen musste, wird trotzdem reinschauen wollen. Alle anderen können unter www.seyfried-berlin.de nachgucken, dass er immer noch prägnanter zeichnet als schreibt. Und undogmatisch ist bis zum Blödsinn.
WING
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