LUST
»Ich vögele gern« Liebe, Sex und all der andere Kram Liebe hat natürlich nichts mit Geld zu tun; weshalb man, wie Jürgen Becker mal bemerkte, so häufig schöne junge Mädchen an der Seite von 80jährigen Sozialhilfeempfängern sieht. Dem Vernehmen nach soll die Geldgier unter japanischen jungen Mädchen besonders ausgeprägt sein. In Shopping von Gavin Kramer geht es um so ein Luxuswesen: gerade mal 16 Jahre alt, verdreht Sachiko einem 34jährigen Engländer, der in Tokio arbeitet, den Kopf. Kramer geht bei seiner zutiefst deprimierenden Satire gar nicht mal besonders in die Tiefe. Er beschreibt einen sturzlangweiligen englischen Anwalt, der tatsächlich im fremden Japan ein Bild von der Queen an der Wand hängen hat. Und ausgerechnet diese männliche Jungfrau, klobig, unbeholfen, uncharmant, verfällt dem Muffel-Charme der japanischen Göre, die immer nur Geschenke und Klamotten will, sich für ihren Vater schämt, weil der nur Polyester-Anzüge trägt, und einen flotten Nebenverdienst erzielt, weil sie ihre getragenen Höschen verkauft. Neben der hoffnungslosen Liebesgeschichte ist Shopping auch ein stiller Essay über den Clash der Kulturen: die Japaner verstehen die Engländer nicht und umgekehrt. Sie reden nur miteinander, um Geschäfte zu machen. Und weil sie es exotisch finden, manchmal jemanden von der anderen Seite des Meeres zu ficken. Danach geht man hastig auseinander und wäscht sich nicht nur die Hände. Wenn CIA-Agenten in den 60ern wissen wollten, was die Exil-Cubaner gerade planen, um Castro zu stürzen, brauchten sie sich nur in ein bestimmtes Restaurant in "Little Havanna" in Miami zu setzen, wo Pläne, Verschwörungen und Attentate lautstark diskutiert werden. In dieses Lokal marschiert eines Tages die 19jährige Fissele und raucht öffentlich eine dicke cubanische Zigarre. Und löst damit eine Massen-Erektion aus. Derart drollig geht es dauernd zu in den Erotischen Notizen aus Little Havanna, die Marcia Morgado aufgeschrieben hat. Einerseits geht es um den Alltag der Exilcubaner, ihre Macho-Kultur, ihren Ehrbegriff, andererseits um die erotischen Erfahrungen von Fissele und ihren Freunden. Da lernen wir, dass Anal-Verkehr ein guter Weg ist, um jungfräulich in die Ehe zu gehen und trotzdem vorher eine Menge Spaß zu haben: "Mit unversehrtem Hymen schritten viele meiner Mitschülerinnen an den Altar - während durch die Öffnung ihres Hinterteils ohne Schwierigkeiten ein amerikanischer Überlandzug hätte fahren können." Frivol, rüde und zärtlich geht es in diesen Geschichten zu, Fissele läßt nichs anbrennen, ob mit ihrem gut bestückten Cousin, zwei Priestern (gleichzeitig) - bei ihr geht vieles. Zwischendurch erläutert sie die Kunst des Blowjobs: "Ich bin durch und durch Cubanerin. Ich vögele gern, bis ich komme, bis ich einen Orgasmus habe. Und ich liebe es zu blasen." Die Unschuld, mit der hier über Sex, Säfte und Dildos geschrieben wird, ist entwaffend, es scheint, als sei das Buch in 70ern geschrieben worden; ist es aber nicht. Lauras Spielzeugschatulle - Alles über Sextoys ist nun wahrlich nicht das erste Buch über Dildos, Kugeln, Stöpsel, Ketten, Clips und Füchslein. Und es ist nicht mal das beste oder gar ausführlichste, die Hälfte des Buches geht für etwas läppische erotische Kurzgeschichten drauf, in denen Handarbeit im Vordergrund steht. Dafür gibt es aber im lexikalischen Teil was zu entdecken. Dass es zum Beispiel vibrierende BH-Einlagen gibt ("Die Nippel können sich ganz schön aufregen") wußten wir nicht. Und die Idee, es zwischendurch mal mit einer eingelegten Essiggurke zu versuchen, halten wir für einigermaßen bizarr. Dafür ist der Hinweis, bei Handschellen darauf zu achten, dass sie im weiteren Verlauf nicht weiter und enger einklicken, nachgerade rührend. Aber man/frau sieht schon: Laura Méritt behandelt des Lebens ganze Breite. Und Tiefe. Unter dem Feigenblatt - Das Buch vom Penis ist so ein typisches US-Journalistengewächs: Maggie Paley, Herausgeberin und Journalistin in New York (u.a. für "Elle", "Life", "Saturday Evening Post") hat sich gelangweilt und Daten und Fakten zum Thema "Penis" zusammengetragen. Die sind aber so blödsinnig geordnet und willkürlich zusammengestellt, dass manchmal weniger als Banales bleibt. Männer werden von ihrem Schwanz beherrscht, Spermaschlucken ist für die meisten Frauen kein Genuß, und: es kommt auf die Größe an. So what?! Intensiv widmet sich die Paley abscheulichen Verstümmelungs- und Piercingtechniken, interviewt einen Pornodarsteller (und weiß nicht, wer "The King" ist; "Meinen Sie Elvis?" fragt sie arglos und hat noch nie was von John Holmes gehört), und ganz besonders bitter wird's, wenn's um den Penis in der Kunstgeschichte geht: Ein Kapitel "Filme über Penisse" ist ja ganz drollig, und natürlich muß da Oshimas Im Reich der Sinne erwähnt werden. Aber wie kann man Ferreris Die letzte Frau unterschlagen? In der "Penis"-Literatur mag man Lady Chatterly erwähnen; aber: noch nie was von Henry Miller gehört? Ein distanziertes, drastisches Buch hat Jonathan Ames geschrieben: Flüchtig wie die Nacht - Bekenntnisse eines New Yorkers erschien 1989 unter dem Titel "I Pass Last Night". Es ist die Geschichte von Alexander, der als Türsteher im "Four Seasons" arbeitet, eine ältere Freundin hat, regelmäßig zu den Nutten in Manhattan geht und, wenn er betrunken genug ist, sich auch von Männern ficken läßt. Die Mischung aus unschuldiger Kindheitserinnerung, hartem Sex und dem völligen Aussparen von Emotionen ergibt ein seltsames Gesamtbild: Alexander ist kein übler Kerl, er ist nett zu den Menschen (außer zu seiner Freundin), hilfsbereit, mäßig neugierig. Dennoch folgt das Buch der Intention eines seiner Kapitel, worin Alex es bedauert, einen ganzen wunderschönen Tag damit vergeudet zu haben, im Bett geblieben zu sein und stundenlang masturbiert zu haben. Mit dem Buch ist das so ähnlich. Ames vermag mit großer Eleganz, Präzision und Komik zu schildern, wie einer mit heruntergelassenen Hosen im Gebüsch steht, sich gerade für 20 Dollar einen blasen läßt, während die Cops durch den Park schleichen, auf der Suche nach Nutten. Dann kommt er, dann geht er nach Hause, und der letzte Satz ist: "Und ich dachte so bei mir, am ernüchterndsten überhaupt auf der Welt ist es doch, in den Spiegel zu schauen und zu sehen, wie häßlich man tatsächlich ist." Und dafür der ganze Aufwand? Weil die weiblichen Helden in der Ariadne-Krimireihe bisweilen Sex haben, fanden Lektorin und Herausgeberin Iris Konopik und Else Laudan es richtig, ein Best of Sex bei Ariadne vorzulegen, sozusagen eine Sammlung mit "Stellen". Aber Ariadne-Krimis sind nicht einfach Krimis, sondern Lesben-Krimis mit gesellschaftlichem Auftrag. Deshalb ist dieser Reader auch durchgehend und recht altklug kommentiert, deshalb haben die Herausgeberinnen einen Befragung unter Leserinnen druchgeführt ("Wie hättet ihr euren Sex gerne?"), und herausgekommen ist etwas, was zum Gähnen brav ist. Da wird gerubbelt und gekuschelt, mit feuchten Slips und keck vorgereckten Brustwarzen. Analsex ist da schon was ausgesprochen Seltenes und Verruchtes. Und während in den Hetero-Krimis die dummen Frauen-Klischees langsam austrocknen, gibt es hier wieder feuchte Damen mit Orgasmen im Sekundentakt: "Carla stieß ihre Finger tief in sie hinein. Sie war scharf genug, um sofort zu kommen." - da gehen wir doch lieber. -thf-
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Gavin Kramer: Shopping Aus dem Englischen von Hans M. Herzog, dtv premium 24262, München 2001, 237 S., 28,- DM Marcia Morgado: Erotische Notizen aus Little Havanna Aus dem cubanischen Spanisch von Sophie Zeitz. dtv Nr. 20445, München 2001, 188 S., 17,50 DM Laura Méritt: Lauras Spielzeugschatulle - Alles über Sextoys Quer Verlag, Berlin 2001, 190 S., 29,80 DM Maggie Paley: Unter dem Feigenblatt - Das Buch vom Penis Aus dem Amerikanischen von Renate Weitbrecht. Europa, Hamburg/Wien 2001, 284 S., 38,50 DM Jonathan Ames: Flüchtig wie die Nacht - Bekenntnisse eines New Yorkers Aus dem Amerikanischen von Friedhelm Rathjen. Europa Verlag, Hamburg/Wien 2001, 206 S., 34,50 DM Iris Konopik & Else Laudan: Best of Sex bei Ariadne Argument, Hamburg 2001, 227 S., 19,36 DM |