SCIENTOLOGY
Haare im Salat Schon wieder kein gutes Buch gegen die Bösen Norbert Potthoff ist seit 10 Jahren von den Hubbardianern weg - und mittlerweile ihr langhaarigster (doch, das ist wichtig) und eigentlich klügster Kritiker (nämlich ehrlichster, mit dem Grundtenor: ich wollte ein Schwein werden, jetzt bin ich ein Wrack). Sabine Kemming hat mal bei den Kindern Gottes am Lagerfeuer gesessen, war später Potthoffs Nachbarin, ist jetzt seine Freundin (seine dritte Ehefrau ist immer noch Scientologin, was man aber nicht gegen ihn verwenden sollte), und bemängelt fortdauernde Seelenschäden am Psychotechnik-Opfer. Das ist soweit in Ordnung. Auch die vielen von Potthoff/Kemming gesammelten Erfahrungsberichte von Ex-Abhängigen, Freunden, besorgten Eltern ("mein Kind will OT werden, was ist das?") sind nichts Schlechtes. Selbst ihre Schnapsidee, Persönlichkeitsveränderung der Körperverletzung gleichzustellen ("wenn mir einer unter Zwang die Haare schneidet, kann ich ihn verklagen, wenn er mich psychisch ausbeutet aber leider nicht") darf man ruhig mal duchspielen. Skeptisch aber stimmt, wenn Potthoff begeistert über die öffentliche Resonanz seiner Vortragsreisen berichtet - und sich doch immer noch für einen Tabubrecher hält. Wenn Potthoff (Kemming hat nur einen brauchbaren Ratgeber für Manipulations-Betroffene angehängt) die Manipulationen in der Kritiker-Szene einfach wegläßt. Er ist nämlich inzwischen der Lieblinsfeind der selbst etwas extrem fixierten Anti-Scientology-Aktivistin Regine Hartwig. Und nichtmal im Anhang steht ihre Adresse, der sonst sechs Seiten lang andere Gegner-Organisationen auflistet. Die räumlich uns nächste ist der Arbeitskreis Sekten in Herford (05221-599857). Zwar haben die Scientologen vermutlich einen größeren Knall als ihre Gegner, zwar greifen sie mit Psycho-Schnickschnack wohl auch mehr Geld ab, als die mit ihren vielen Büchern (eine Literaturliste fehlt - wohlweislich?) ... Aber wenn einer wie Potthoff schon mal bemerkt hat, daß das Erfolgsprinzip von Hubbard stark dem kruden Kapitalismus ähnelt, und ihr Machtapparat mit Geheimdienstmitteln arbeitet - darf er dann zur Abwehr ausgerechnet nach dem Verfassungschutz rufen? Und müßte er dann nicht wenigstens erwähnen, daß der gerade herausfand, da sei eigentlich gar nichts zu observieren, keine gesellschaftlich relevante Gefahr im Verzug? Wir mögen die Pullacher nicht und auch nicht die Clearwater-Front, aber es hat nun mal jeder das verfassungsmässige Recht, unglücklich zu werden, Bücher zu schreiben, oder sie dumm zu finden. Nicht "verlogen": Potthoff ist so ehrlich, wie er nur sein kann. Nur sollte er sein neues Buch mal als Fallbericht seiner eigenen Störung lesen. Und in seinem nächsten mal ein paar Erfahrungsberichte von Leuten drucken, die fälschlich als Scientologen verunglimpft wurden, ihren Job verloren oder schlimmen Schaden nahmen an ihrer Persönlichkeit. WING
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Norbert Potthoff/Sabine Kemming: Scientology Schicksale. Eine Organisation wird zum sozialen Störfall. Erfahrungsberichte Bergisch Gladbach: Bastei [60459] 1998, 397 S., DM 16.90 |