MÄDCHEN Wilde Bande Jasmin Ramadan wird ziemlich durcheinander erwachsen Natürlich ist es nicht ihre Geschichte, aber das freche Mädchen hinter dem Film "Soul Kitchen" tut ganz erfolgreich so, als wäre sie Celestine, für Freunde kurz "Stine", die so ungefähr jetzt in einem abgedrehten Familienumfeld etwa 13 bis 23 Jahre alt wird. Die Autorin wurde 1974 geboren, kriegte für einen Vor-Entwurf von Das Schwein unter den Fischen einen Literaturpreis und schrieb danach die Vorlage für Fatih Akins Multikulti-Fresstempelstürmerei. Jetzt ist das Frühwerk fertig geworden, das weniger mit dem Essen spielt, sondern rund um eine Pommesbude. Da ballt sich das bunte Elend mit versoffener Stiefmutter, verschwundener Au-Pair-Mutter, verfressenem Kater, lesbischer Tante und ziemlich töffeligem ersten Sex. Stine stolpert anfangs antriebslos durch das Durcheinander, beobachtet genau, notiert absurde Szenen ohne jede Teenager-Selbstgerechtigkeit und entwickelt erst allmählich das Verlangen nach einem Leben jenseits des heimischen Jahrmarkts. Die anfangs altkluge, später eher gespielt naive Stine übersteht ohne allzu viel Innenschau das heimische Chaos, schockiert den vom Klappentext genasführten Leser auf der ersten Seite mit einer Tampon-Lektion und ermüdet dann auf Dauer mit immer gleich skurrilen Charakteren und zunehmend weniger interessanten Episoden mit Sex und Drugs und dem schlechten Rock'n'Roll, den ihr Vater so gerne hört. Erst im Abspann zieht Jasmin Ramadan dann wieder rasant wie am Anfang, das Tempo an. Die meisten ihrer Personen kriegen hinterrücks ein Fett weg, das ein richtiger Roman allmählich entwickelt hätte. Und Stine wird eine international berühmte Künstlerin. Das steht ihrer Autorin noch bevor. Ach ja: Das Schwein unter den Fischen ist der Karpfen, weil er alles frisst. Wing
Jasmin Ramadan: Das Schwein unter den Fischen. Klett-Cotta, Stuttgart 2012, 271 S., 17,95
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