FLANEURE

Jeden Tag Sonntag

Rocko Schamonis zweiter Roman über seinen melancholischen Protagonisten

Michael Sonntag verabscheut all das, was als "normal" gilt und tut vor allem eines: nichts. Er will der Gesellschaft keinen Nutzen erweisen und arbeiten. Er will sich auch nicht einfügen in eine Welt, in der in Gaststätten ein Rauchverbot gilt und der Mob bei einer Schlagerparade hysterisch feiernd durch St. Pauli tanzt. Lieber bleibt er mit sich und seinen Gedanken allein.

Aber sein Leben als Eremit wird manchmal zu einsam, und so zieht es dann auch ihn unter Menschen. Wie ein Verhaltensforscher auf Erkundungstour tarnt er sich als Biker, um Motorradfans bei einem Open Air Gottesdienst zu beobachten. Oder er schlüpft in die Rolle eines Museumswärters, nur um auszuprobieren, wie es sich so anfühlt Museumswärter zu sein. Manchmal scheint er seinen Platz in der Welt suchen zu wollen, aber dann wünscht er sich doch nur eine "Art Irrenreservat, eine Riesenklapse, in der wir endlich unsere Ruhe hätten vor der versammelten Ordnungsherrlichkeit der ehrenwerten Gesellschaft der Normalen."

Mit Gespür für Situationskomik, abstruse Szenarien und Ironie hat Rocko Schamoni mit Michael Sonntag eine Figur erschaffen, die trotz ihrer Wehleidigkeit liebenswert ist ist ein Roman, der mit Humor ernste Kritik an geltenden Normen übt.

Janne Hiller
Rocko Schamoni: Tag der geschlossenen Tür. Piper, München 2011, 261 S., 16,95