Schachern

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Ein Handelsleben im 12. Jahrhundert

Gleich mit dem Motto des Romans wird klar, dass der Autor das Heil der Welt im Treiben des ehrlichen Kaufmanns sieht. Der Chancen wittert, weite Wege zu neuen Waren und Märkten geht und ohne ein Mindestmaß von Gegenseitigkeit auf keinen grünen Zweig kommt. Jedenfalls im Mittelalter, der Handlungszeit des Romans Das Salz der Erde.

Dass es auch ohne ein bisschen Gesetzesverstoß nicht geht, führt das Einleitungskapitel vor, in dem ein junger Bauernsohn in Oberlothringen mehr aus Jux denn Hunger einen Dorfmitbewohner beklaut. Das führt sofort zu einer Szene, in der der örtliche Ritter einen Wilderer wegen des Mundraubs schier tot schlägt, was wiederum den Vater des späteren Helden zum beschwichtigenden Eingreifen veranlasst. Und schon hat die leibeigene Familie einen Feind und Michel einen Beweggrund für die folgenden Jahrzehnte und etwas über 1000 Seiten.

Michel steigt nämlich durch Flucht in eine nahe Stadt, in der Leibeigenschaft nichts gilt, und durch die Vermittlung eines netten Kaufmanns selbst in die Händlergilde auf, wird europaweit aktiv und beteiligt sich an der marktwirtschaftlichen Höherentwicklung der Menschheit. Fragen nach Gerechtigkeit und Übervorteilung kommen gar nicht erst auf. Theoretische Erwägungen werden komplett durch Charakterzüge ersetzt: Der Ritter ist grausam, der Bischof korrupt, der Jugendfreund will den gesellschaftlichen Aufsteiger nicht seine Schwester heiraten lassen. Gute Zeiten, schlechte Zeiten vor langen Zeiten. Es packt aber doch, weil Wolf genug Atmosphäre in den Text packt.

Leider verzichtet der Autor auf eine ausführliche Darstellung des Salz-Gewerbes, das im Mittelalter boomte und durchaus zu einer Querschnittstudie von beginnender Industrie im Salzbergwerk, ehrwürdigem Handwerk in den Salinen und Mehrwert-Aneignung auf dem Handelsweg taugte.

Michel will lieber die Freiheit der Märkte aus Mailand in seine Heimat importieren und gerät in Konflikt mit dem System der Stände und Gilden und ihrem seit Jahrhunderten austarierten Geflecht von Gegenseitigkeiten der Rechte und Pflichten und der ordentlichen Lebensführung. Am Ende gewinnt er und kriegt auch das Mädchen.

Wing

Daniel Wolf: Das Salz der Erde. Goldmann, München 2013, 1152 S., 9,99 / Der Hörverlag, München 2013, 4 CD mp3, 16,99 / e-book 8,99