SCIENCE
Staunen & Skepsis
Die letzten Aufsätze von Carl Sagan
Der viel zu früh mit Anfang 60 an Krebs gestorbene Astronom und Wissenschafts-Autor Carl Sagan, hatte eine ebenso drollige wie einleuchtende Methode, den Wert der Wissenschaft herauszustellen. Zum Beispiel so:
Jemand behauptet, er habe einen Drachen in seiner Garage. Au fein, sagt der Wissenschaftler, den würde ich gerne sehen. Nun ja, sagt der Drachenbesitzer, der Drache ist leider unsichtbar. - Macht nix, sagt der Wissenschaftler, dann streuen wir Mehl auf den Garagenboden, um die Fußspuren des Drachen ... ähem, räusper, Einwand: Dieser Drache schwebt. Ok, sagt der Forscher, dann verwenden wir Infrarotgeräte, um über die Körpertemperatur ... geht auch nicht, der Drache ist kalt. Und so weiter und so weiter. Und in dem Maße, wie der Drache sich jeder physikalisch-chemischen Beweisführung entzieht, stellt sich die Frage, so Sagan, inwiefern ein unsichtbarer, nicht beweisbarer Drache von einem nichtexistenten Drachen unterscheidet.
Sein letztes Buch - durch seinen unerwartet frühen Tod so etwas wie Sagans Vermächtnis - ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Wissenschaftlichkeit und Rationalität. Und ein Kampf gegen die fortschreitende Volksverdummung, die in Schule und Medien dafür sorgt, daß niemand sich über einen Satz wunder wie diesen: Der Präsident war sehr besorgt darüber, daß nach einer statistischen Zählung die Hälfte seines Volkes unterdurchscnittlich intelligent war.
Sagan sagt nicht, daß die Wissenschaft die Welt so beschreibt, wie sie ist. Aber das kein anderes System bei dem Bestreben, dies zu tun, so nah herankommt. Und dies nicht, weil das Tragen eines weißen Kittels und eines Titels klüger macht. Sondern weil das wissenschaftliche System das einzige ist, das sich pausenlos selbst kritisiert, verbessert, in Frage stellt und neu definiert.
Kornkreise wurden auch in der taz als extraterrestrisches Phänomen gewürdigt, die Bedeutung von widerstandslosen Halbleitern hingegen nicht so gewürdigt (irgend so ein technisches Zeug halt). Wo das hinführt, wenn man so blöd ist - das mag Sagan gar nicht erst beschreiben. Dafür hat er gar keine Zeit. Er zeigt, wo es hinführt, wenn man die Wunder der Natur entschlüsselt; die wichtigsten Eigenschaften für wissenschaftliches Forschen seien Staunen und Skepsis.
Dabei war Sagan weißgott kein dogmatischer Forscher. Prinzipiell, sagte er, sei gar nichts auszuschließen, auch nicht, daß Ufos tausende von Amerikanern entführten. Solange das aber nicht bewiesen sei und kein Artefakt in die Hände der Wissenschaftler gerate, halte er es für wahrscheinlicher, daß es sich dabei um eine Massenhysterie wie bei der Hexenverfolgung oder den Marienerscheinungen handle.
Erich Sauer
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