WÄLZER Umwege zum Ruhm Verena Roßbacher verschwätzt sich vergnüglich Schon ihr erstes Buch, der Diplomroman (sowas gibt's wirklich) Verlangen nach Drachen war dem Lektor zu dick. Deshalb wohl mischt er sich in dem neuen gleich auf den ersten Seiten und immer wieder ein. "Kürzen!" befiehlt er barsch, "Ich bin erschlappt", seufzt er später, um Gnade winselnd, aber Verena Roßbacher holt dann sofort zu einer neuen Volte aus, geht einen weiteren Umweg, man weiß 600 Seiten lang nicht, wohin. Angeblich geht es um drei junge Herren, die gemächlich durch Berlin treiben, in vielen Cafés sitzen und seltsames Zeug reden. Vielleicht geht es aber auch um einen Mord, oder um die Kunst, mit nur fünf geometrischen Grundformen ein unendliches Fliesenmosaik zu erzeugen. Ausschweifung und Strenge gehen Hand in Hand, jedes der 139 Kapitel trägt eine Fliese als Wappen und manche widmen sich in meisterlich ermüdender Ausführlichkeit etwa den verwickelten Gedanken, die einer vor dem Joghurtregal im Supermarkt hat. Dann wieder schieben sich Zeitungslektüre und Kneipengespräche so in einen langen mäandernden Satz ineinander, dass niemand mehr so recht mitbekommt, wo der eigentlich steht, wer ihn sagt oder denkt oder ob der Leser gerade in der Zeile verrutscht ist. Ganz offenbar aber salbadert Frau Roßbacher nicht einfach haltlos vor sich hin, sondern vollführt ein barockisierendes Kalkül, ein präzises Menuett im Laberschritt. Das dann auch konsequent mit dem Vertragsabschluß für den nächsten Roman endet. Nicht über 100 Seiten. Inhalt egal. Titel: Die Muskatellertraube. Es ist ein bisschen wie in der altehrwürdigen Trilogie des laufenden Schwachsinns, nur mit Latte Macchiato statt Sechsämtertropfen. Es hat was von Tristram Shandy, und es hat auch was von Roßbachers Rache. Vor ein paar Jahren nämlich fiel die Autorin beim edlen Dichterwettstreit in Klagenfurt kläglich durch. Und jetzt schmuggelt sie ihren Text von damals in den Roman von heute, um ihr Personal damit in Bewegung zu setzten. Wing
Verena Roßbacher: Schwätzen und Schlachten Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014, 640 S., 24,99
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