Tagebuch

Trauriger Blick auf Gestern

Rocko Schamoni lässt einen Teenager altern

Glücklich kann sich schätzen, wer in jungen Jahren ein Tagebuch geführt hat. Mit all den herzzerreißenden Geschichten, Alltäglichkeiten, Veränderungen und verhassten Zuständen, die sich anscheinend niemals ändern werden. Ein bisschen pathetisch geschrieben, mal zu nebenbei, dann wieder viel zu intensiv diesen einen Blick auseinandernehmend, den einem die erste (oder zweite) große Liebe gegönnt hat...

Paul Zech ist im Roman Fünf Löcher im Himmel im Besitz seines Tagebuchs - eines seiner wenigen Habseligkeiten, denn der Rest wird gerade in einem großen Container entsorgt. Paul beobachtet, wie sich der Container füllt, und dann beginnt seine Reise oder besser: seine Flucht. Begleitet wird er von seinem jugendlichen Selbst, das in Form der Tagebucheinträge eine Geschichte neben der Flucht erzählt.

Rocko Schamoni erzählt die Geschichte von Paul, der in der Gegenwart nach einer Art von Leben sucht, das er sich als Jugendlicher gewünscht hat. Dieser Gegenwart stellt Schamoni die Tagebucheinträge des jungen Paul entgegen. Dass er mal alles anders machen will als sein alkoholkranker Vater, steht da drin. Nun ist er selber über 50 und er fragt sich, ob er die Chance genutzt hat, alles anders zu machen.

Das jugendliche Aufbegehren, das auch in Dorfpunks Schamonis Thema war, findet hier wieder statt. Diesmal aber mit einem Rückblick, der das Scheitern mit einbezieht. Das ist seltsamerweise gar nicht lustig. Und macht die Geschichte, die zum Road Movie mit kriminellem Hintergrund wird, so lesenswert. Ein so trauriges Buch hätte man Rocko Schamoni gar nicht zugetraut. Der Verlust der Jugend tut halt im Zweifelsfall mehr weh, als man es sich in jungen Jahren vorstellen konnte.

Sacha Brohm

Rocko Schamoni: Fünf Löcher im Himmel. Piper, München 2014, 190 S., 16,99