SCIENCE FICTION

Ein dunkler Ton

Eine kleine Klassikerausgabe des Weltraumzauberers Ray Bradbury

Als Ray Bradbury ein Kind war, hatte der Mars noch Kanäle, und der größte Schrecken für einen amerikanischen Jungen war, Hausarrest zu bekommen, wenn der Wanderzirkus in der Stadt war. Heute ist Ray Bradbury 88 Jahre alt und möchte der erste tote Mensch auf dem Mars sein. Der sieht inzwischen zwar völlig anders aus als in Bradburys erstem Buch Die Mars Chroniken (1946), aber Bradburys Mars ist eine reale Ewigkeitswelt wie Mittelerde oder der Olymp.

Auf unserem Mars heißt ein großer Graben unter Astronomen "Bradbury", und der Vater der poetischen Zukunftsmärchen trägt bei Kollegen aus der "richtigen Literatur" ehrerbietige Beinamen wie "Louis Armstrong der Science Fiction" oder "Lord Byron des Weltraums". Da merkt man gleich, dass Ray Bradbury nicht einfach zu fassen ist.

Der Diogenes Verlag, der Bradbury seit Jahrzehnten in Deutschland verlegt, hat gerade eine Dreier-Box mit Bradburys ersten und berühmtesten Büchern herausgebracht (neben Die Mars Chroniken noch Der illustrierte Mann von 1951 und Fahrenheit 451 von 1953) und dafür die Übersetzungen neu durchsehen lassen, hier ein Vorwort ergänzt und dort zwei Storys ergänzt. Dazu kommt eine Band Ausgewählte Erzählungen, der Geschichten von 1946 bis 1997, nach der Erstveröffentlichung sortiert, enthält. Darunter die erste deutsche Veröffentlichung jener Story, aus der die Sammlung Der illustrierte Mann wurde.

Wer Bradbury noch nicht kennt, sollte mit den Erzählungen anfangen. "Damals" beginnt gleich die erste, "dachte ich, meine Eltern wollen mich vergiften. Und heute frage ich mich, ob sie es nicht getan haben."

Da ist von Anfang an ein dunkler Unterton in Bradburys Träumen, der so gar nicht zu den heldenhaften Ingenieuren der gerade entstehenden Science Fiction passte. Er schrieb immerzu schreckliche Geschichten, und sein gemütlicher Horror überlebt alle Kitsch-Vorwürfe und alle missglückten Verfilmungen.

Das erste Raumschiff zum Mars wird vermutlich Ray Bradburys Asche an Bord haben. Sicher auch Francois Truffauts Version von Fahrenheit 451 und vielleicht das Remake, an dem Frank Darabont zur Zeit arbeitet. Hoffentlich aber auch Moby Dick von John Huston, zu dem Ray Bradbury das Drehbuch schrieb. Darin kommen zwar keine Raketen und keine Planeten vor, aber sehr viel Bradbury.

Wing
Ray Bradbury: Fahrenheit 451, Der illustrierte Mann, Die Mars-Chroniken Div. Übersetzer, Diogenes, Zürich 2008, 228 S., 335 S., 373 S., im Schuber 39,-
Ray Bradbury: Ausgewählte Erzählungen. Div. Übersetzer, Diogenes, Zürich 2008, 662 S., im Schuber 19,90