SCIENCE FICTION

Sie sind da irgendwo

Träumen Quantencomputer von uns? Robert Charles Wilson hat ein paar lustige Ideen - geklaut.

Die Menschheit kann endlich Planeten beobachten. Sie hat ein Teleskop gebaut, das über 50 Lichtjahre hinweg auf einem fremden Planeten interessante Dinge entdeckt. Dann werden die Bilder des Teleskops immer schlechter... In ihrer Verzweiflung schicken die Wissenschaftler den Datenstrom des Teleskops durch einen Quantencomputer, also ein Ding, von dem niemand so genau weiss, was und warum da etwas herauskommt. Kaum haben die Quanten-PCs die Daten interpretiert, wird das Bild gestochen scharf. Hey Jungs, wir haben wieder ein gutes Bild, ruft einer aus der Datenverarbeitung. Das ist lustig, antwortet jemand von der Flugaufsicht, denn unser Teleskop hat sich gerade endgültig abgeschaltet.
Was also sieht die Menscheit da jetzt?
Diese Vorgeschichte wird in Quarantäne nebenbei entwickelt. Denn als das Buch beginnt, wird die kleine Wissenschafts-Stadt, die zur Datenauswertung in "Blind Lake" (so auch der Originaltitel) zusammengefasst wurde, unter Quarantäne gestellt. Die Zäune werden sozusagen elektrisch geladen, alle Kommunikationsleitungen nach draußen werden gekappt, und wer über den Zaun klettern will, wird abgeschossen. Als Leser befinden wir uns mit den Wissenschaftlern im Innern des Rätsels: Warum die Quarantäne verhängt wurde und was sich draußen abspielt, bleibt fast bis zum Ende rätselhaft.
Auf dem lagen Weg zum Ende - fast 500 vernügliche Seiten lang führt uns Wilson an der Nase herum - spielt das Buch mit ein paar Sätzen der Erkenntnistheorie, der Unschärferelation und überhaupt der Philosophie-Geschichte, bedient andererseits auch die Sehnsucht nach Trivialität und entwickelt mindestens zwei schöne Liebesgeschichten.
Anders als bei Heinlein, wo eine Katze durch Wände gehen konnte, ist hier ein kleines Mädchen Opfer der Quantentheorie und bewegt sich ganz selbstverständlich durch verbotene Räume. Am Ende dreht ein Ex-Ehemann durch, die Erde bebt, die Schwesternschaft der Sterne gibt eine Erklärung ab und die Marines kommen.
Man sieht schon: Wilson ist kein Erneuerer der Science Fiction. Seine Ideen hat er sich ausgeborgt, die Erzähltechnik ist brav und solide. Trotzdem ist er zunächst mal ein guter Geschichtenerzähler, der sein Personal klug im Raum aufstellt und agieren lässt. Da ist viel Klischeehaftes dabei, aber verbunden mit den großen Träumen eines quantengequälten Kosmos, in dem alles möglich zu sein scheint, gibt das guten Abenteuerstoff. Anders als etwa in Spin versucht Wilson auch nicht mehr Spannung in die Geschichte hineinzuzwängen, als ihr gut täte. Über weite Strecken liest sich Quarantäne wie ein früher Roman von Stanislaw Lem, aber so, als ob Lem auch was von Psychologie verstanden hätte.
Alex Coutts
Robert Charles Wilson: Quarantäne. Aus dem kanadischen Englisch von Karsten Singelmann. Heyne, München 2007, 478 S., 8,95