Terroristen

Kapitulation vor dem Feind

Marc Thörner beschreibt die schleichende Veränderung der Politik

Weil der Westen zwar gerne seine Soldaten in fremde Länder schickt, um dort die eigenen Wertvorstellungen durchzusetzen, weil er aber gleichzeitig vermeiden möchte, dass eigene Soldaten in fremden Länder sterben, bietet sich als Lösung an, örtliche Kräfte auszubilden, zu finanzieren und als Hilfspolizei einzusetzen.

Der Reporter Marc Thörner ist in Afghanistan, Pakistan und Bahrein gewesen und hat sich angeschaut, was das im Einzelnen bedeutet. In Afghanistan zum Beispiel gibt es eine Vielzahl von "Polizeikräften", die völlig selbständig arbeiten, niemandem gegenüber verantwortlich sind und sich "aus der Bevölkerung heraus" versorgen, vulgo: sie leben von Schutzgeldern. Mindestens eine dieser Truppen wird von einem Auftragskiller angeführt, der von der afghanischen (!) Justiz per Haftbefehl gesucht wird, gleichzeitig aber unter dem Schutz des örtlichen Gouverneurs steht und ein Verbündeter der Bundeswehr ist, an deren Operationen er mit seiner Truppe direkt beteiligt war. Ein sanfter Putsch - Wie Militärs Politik machen handelt von der Verschiebung der Macht. Die Politiker erlassen Richtlinien, die die Militärs vor Ort umzusetzen haben. Letztlich entscheidet ein Oberst vor Ort, welche Bande mit wie viel Geld ausgestattet wird. Damit greift er nicht nur ins lokale Machtgefüge ein - die ethnisch orientierten Gruppen nutzen das Geld fast immer, um vor allen konkurrierende Ethnien zu drangsalieren - er ist auch niemandem mehr Rechenschaft schuldig, die Politik hat sich aus der Verantwortung verabschiedet.

In Bahrein, das Thörner nur unter erschwerten Bedingungen besuchen kann, stellt sich die Lage anders dar. Hier gibt es eine schiitische Opposition, die gegen die Minderheitenregierung der Sunniten protestiert. Dieser Protest wird unterdrückt mit Hilfe Saudi-Arabiens, das schon mal, auf Wunsch der Regierung, Panzer ins nachbarliche Bahrein schickt, um die dortigen Ordnungskräfte zu unterstützen. Dass Saudi-Arabien jetzt 200 deutsche Panzer bestellt hat, deren Tauglichkeit im Häuserkampf von Krauss-Maffei extra betont wird, die aber so schrecklich teuer sind, dass nicht mal die Bundeswehr sie haben will, ist eine andere Form der Einmischung, bei der sich die Politik aus jeder Verantwortung verabschiedet.

Thörners drei Aufsätze aus drei Ländern folgen einer Idee: Der Westen tut all dies, um den Terrorismus zu bekämpfen. Dabei gibt es im Westen, abgesehen von wenigen, schrecklichen Ausnahmen, gar keinen Terrorismus. Unter Terroristen leiden vor allem die Bevölkerungen jener Länder, gegen die der Westen Krieg führt, ob mit Drohnen, Panzern oder Militärhilfe.

Erich Sauer

Marc Thörner: Ein sanfter Putsch. Wie Militärs Politik machen. Nautilus Flugschrift, Edition Nautilus Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg 2014, 156 S., 12,60