TERRY PRATCHETT

Die Kunst der Un-Fuge

Bisher war uns Terry Pratchetts Fun-Fantasy zu albern, aber jetzt ist sie uns fast zu engagiert

In Britannien schreiben sogar die Normalo-Sonntagszeitungen über ihn, den "Dickens des 20. Jahrhunderts", den "Douglas Adams der Fantasy", den "humanistischen Humoristen" - in Deutschland faßten ihn weder Hoch- noch Pop-Kritiker an (außer uns, aber wir fanden's albern) aber jede Menge Leser, weshalb sich inzwischen schon drei Verlage um seinen immensen Text-Ausstoß schlagen. Nachdem bei Goldmann, Jahre ist's her, Pratchetts völlig unkomische "Flachwelt"-SF sogar in der engeren Szene kaum auffiel, holte sich Heyne - ätsch - seine ziemlich abgedrehte "Scheibenwelt"-Serie, hatte Publikumserfolg, druckte frech sogar die "Flachwelt" im irreführend gleichen Design - und Goldmann rächte sich - selber ätsch - durch Reihenübernahme mit mehr Honorar und in größerem Format. Da ist jetzt, mit dem samt dem guten Übersetzer von Heyne übernommenen Untertitel "Ein Roman von der bizarren Scheibenwelt", erschienen: "Total Verhext".
Das müßte Pratchetts Durchbruch auch bei deutschen Edel-Feuilletönern sein, wenn die überhaupt noch was merkten. Bei uns geht's jedenfalls. Weil hier drei halbe Hexen (zu alt, zu jung und zu liederlich für richtige Zauberei) zu einer Rettungsmission ins Land der wahren Märchen aufbrechen, wo eine fiese Fee u.a. echte Draculas, Rotkäppchen und Yellow Brick Roads hingehext hat. Und neben der gewohnt albernen Handlung viel Philosophie über Urbane Mythen, den freien Willen und die irreführende Macht der Fiktion abfällt. Allerdings: wenn der Subtext hier so schwer-intellel ist wie wir denken, waren dann die Vorgänger (der Tod wird arbeitslos, das Kino kommt nach Wunderland ...) auch weniger schlapp als wir dachten?
Oder ist der neue meta-auktoriale Pseudo-Dekonstruktrick sogar selbstmörderisch genial? Denn Pratchetts Geschichte handelt ja davon, daß Leben und Handeln heißt, sich aus Geschichten zu retten. Weshalb "Total Verhext", wäre es wahr, wohl gar nicht da sein dürfte. Weshalb wiederum wir wenigstens Pratchetts noch neueres Jugend-Buch über die Wahrheit der Computerspiele (im oben angekündigten dritten Verlag, C. Bertelsmann, erschienen) gar nicht hier loben. Sondern im Computerteil schon gelobt haben.
WING
Terry Pratchett: Total Verhext. Deutsch von Andreas Brandhorst. Goldmann (41557) 313 S., 15.- DM