POP GESCHICHTEN

Nicht zu laut

Eine Anthologie und ein Blog zum Phänomen Pop

Jeder weiß irgendwie was "Pop" ist. Oder war. Nur nicht so genau. In Kunst, Musik und Literatur, in Museum, Radio und kulturwissenschaftlichem Seminar "popt" es seit den 60ern in vielen Verkleidungen und in alle Richtungen. Mal ist Pop böser Mainstream, mal der Hang zum Flachen, der Ausweis ironischen Misstrauens gegenüber dunklen Tiefen, und manchmal ist "Pop" bloß ein Etikett für "nicht zu laut". Zwei Bücher führen das schön vor.
Das erste heißt Pop seit 1964. Kerstin Gleba und Eckhard Schumacher haben einen dicken Sammelband aus deutschsprachigen Texten gemacht, die von 1964 bis heute als Pop-Literatur erschienen sind. Die Auswahl reicht von H.C. Artmann bis Benjamin von Stuckrad-Barre, von Elfriede Jelinek bis Alexa Henning von Lange. Das ergibt einen schönen Reader voller Texte, die in ihrer Zeit meist zum sofortigen Verzehr geschrieben wurden. Die meisten bemühen sich aber, oft mit kompliziert hergestellter Beiläufigkeit, etwa Wesentliches im Alltäglichen zu entdecken. So wird diese erste deutsche Pop-Anthologie nicht nur eine Literatur- sondern auch eine Zeitgeschichte. Allerdings ist sie für Pop einfach zu dick, Pop ist doch eher Single, nicht Album.
Das hat Jens Friebe, der darin nicht vorkommt, richtig erkannt. Sein dünnes Büchlein 52 Wochenenden entstand aus einem Weblog, dass der Pop-Sänger schrieb, um das Publikum zwischen zwei Platten bei Laune zu halten. Immer dienstags plauderte er ein Jahr lang über sein vergangenes Wochenende, und so streng der Rahmen war, so frei schlug er darin über die Stränge. Mal gibt's ein bisschen Tourtagebuch mit der Band, mal ein paar Einsichten über Regietheater ("Subventionskunst muss keinem gefallen") und feministische Pornos ("ganz schlechter Jazz"), mal zitiert Friebe ernsthaft den Kirchenvater Augustinus (den er fälschlich für Lichtenberg hält), mal parodiert er Universitätsjargon aufs Possierlichste. Mal deliriert er von einem Einfall zum nächsten, dann baut er wieder kleine, glitzernd künstliche Diamanten. Friebe spielt locker mit dem Anschein des Authentischen. Es hilft beim Schmunzeln, wenn man Dietmar Dath oder Kerstin Grether kennt (die kommen beide oben im Pop-Reader vor), aber es wäre auch ein lustiges Buch, wenn das wirkliche Weblog oder Jens Friebe selbst völlig erfunden wären. Tatsächlich geht er gerade mit seiner neuen Platte auf Tour: "Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert".
WING
Kerstin Gleba und Eckhard Schumacher (Hg): Pop seit 1964. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007, 410 S., 15,-
Jens Friebe: 52 Wochenenden. Texte zum Durchmachen. Mit einem Vorwort von Dietmar Dath und einer Gastkolumne von Linus Volkmann. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007, 187 S., 8,95