WIRTSCHAFT Klug und knapp Warum Hungernde Fernseher kaufen und andere Einsichten Dass mit der Entwicklungshilfe etwas nicht stimmt, weiß heute jeder. Dass aber weder "abschaffen" noch "erhöhen" immer Eigeninitiative fördert oder Krisen verhindert, spricht sich erst allmählich herum. Die Ökonomie-Professoren Abhijit Banerjee und Esther Duflo haben nach langer Feldforschung nun ein Buch geschrieben, das sich gegen globale Rezepte und Hilfs-Ideologien wendet, sondern auf genaue Einzellfallanalysen setzt. Manchmal klingt das etwas zynisch, wenn sie mit Methoden naturwissenschaftlicher Experimentalstatistik etwa untersuchen, ob kostenlos verteilte Moskito-Netze besser gegen Malaria helfen als billige (meistens: nein) oder warum Mikro-Kredite mal helfen und mal nicht. Meist kommt heraus, dass die "Armen" in ihrem Kontext, mit großen Familien, ohne Infrastruktur und unter oft katastrophalen Risiken, sich ökonomisch auch nicht unvernünftiger verhalten als etwa Europäer. Fernseher statt Bildung zu kaufen ist theoretisch falsch, aber in der Dritten Welt genau so populär wie bei uns. Und den Armen vorzuwerfen, ihr knappes Geld nicht klüger auszugeben als wir unseres, ist sicher falsch. Ein bisschen mögen die Gutmenschen ja zucken, weil dieses Buch ausgerechnet von "bösen" Geldgrößen wie der Financial Times und Goldman&Sachs zum Buch des Jahres gewählt wurde. Aber die interessierten sich eher für den relativ neuen Ansatz, ökonomische Theorien naturwissenschaftlich zu testen. Geld ist bei der Armutsbekämpfung bisher nur zur verdienen, wenn man sie falsch macht. Sogar einige der vor kurzem noch gefeierten Mikro-Kredit-Banken werfen schon Gewinne an der Börse ab, während andere pleite gingen. Auch "gute" Ideen müssen sich dem Test der Praxis stellen, damit die Vorteile wirklich "unten" ankommen. Wir müssen intervenieren, wenn wir eine gerechtere, bessere Welt wollen, aber wir sollten dabei auf die Klugheit kleiner Auswege vor Ort setzen. Wing
Abhijit Banerjee, Esther Duflo: Poor Economics: Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut. Übersetzt von Susanne Warmuth. Albrecht Knaus Verlag, München 2012, 384 S., 22,99
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