BÄRIG
Fell auf die Ohren Harry Rowohlt erzählt packend vom Pu Es gibt Klassiker, unhintergehbare, nichtüberholbare Kulturstücke. Es gibt Interpretationen von Klassikern, kanonische, neumodelnde, persönliche ... und manchmal wachsen Version und Vorlage zu einem neuen klasse Werk zusammen. Gründgens' Faust und Harrys Pu zum Beispiel. Bei aller möglichen Mäkelei am Einzelnen (muß man, wenn man vom Regen redet, es plätschern hören?) und Allgemeinen (befördert geniales Vorlesen den Analphabetismus gar mehr als verpatztes?) - an Harry Rowohlts Kompletteinspielung seiner eigenen Neuübersetzung von Alan Alexander Milnes Bärengeschichten führt kein Weg vorbei. Der Weg dahin aber war lang. 1926 erschienen in England die ersten Pooh-Stories. Erst für den 6jährigen Sohn des Autors, schnell für die ganze Welt. Wunderbar warmherzig und wortspielerisch zugleich, vertrackt in der Poetik (der Sohn Christopher Robin kommt selbst im Buch vor, und kriegt da erzählt, was er neulich im wirklichen Leben mit seinen Stofftieren erlebte) und klar in den Plots (alle machen alles falsch und alles geht immer gut aus). "Puh", wie er in den ersten, eher kläglichen, deutschen Übersetzungen hieß (später gab es sogar eine ins Lateinische), wurde ein Klassiker für Kinderzimmer weltweit. Ein unverwüstlicher Teddy, der bisher noch jeden beim Wiederentdecken auf dem Speicher zu Tränen rührte. Walt Disney etwa, dessen Zeichentrick-Version fast gar nicht nach Disney aussieht - und Harry Rowohlt. "Puh" war sein erstes Buch, sagt er in den netten Klappentext-Häppchen der 6 Compactcassetten, "Poo" wurde schon früh sein Deckname für wunderliche Grübeleien im Feuilleton der ZEIT, "Pu" übersetzte er 1987 nochmal von Grund auf neu. Und erzählt jetzt, unterstützt von etwas Musik und ein paar Geräuschen zuviel, was Pu und Christopher Robin, Ferkel, Kaninchen, Känga und Ruh, I-Ah, Tieger, Oile und Co. so treiben. Mit einer Stimme, die genüßlich brummt und atmet, die einen Stil, aber mehr als eine Melodie hat, und für jeden Charakter eine absolut einleuchtende Farbe: gemächlich, blasiert, keck, furchtsam, macherisch, klugscheißend, versehentlich weise ... und sich dabei nie als "ich interpretiere gerade genial" in den Vordergrund spielt. Das kann man seinen Kindern geben - wenn man dumm genug ist, es sich nicht selber vorlesen zu lassen. Benjamin Blümchen hat die Stadt verlassen. Und alle Kritiker akustischer Literatur können gleich mitgehen. Hier ist Harry - und nie mehr können wir Pu lesen ohne Harry zu hören. Nur zwei Nachteile hat die Tonfassung: die Original-Illustrationen fallen auf den Cassetten-Foldern etwas klein aus - und das Plastik der Cassetten-Hüllen ist zu brüchig für tapsig-ungestüme Finger. WING
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A.A. Milne: Pu der Bär Vorgelesen von Harry Rowohlt. Kein & Aber Records, 6 MC, 6h26min, 49.80 DM |