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Zu nah

Die melancholischen Leiden von Brian Castros »Pomeroy«

Ein verständlicher wenn auch unschöner Drang treibt manche Autoren dazu, in ihrem Roman ordentlich hinter sich aufzuräumen: Das Ende soll alles erklären, die Figuren ihrem erwarteten Schicksal zuführen, die Ideen des Autors in des Leser Kopf genagelt haben... der schönste Roman wird so zuschanden.
Brian Castro macht diesen Fehler leider in seinem ansonsten brillanten Roman Pomeroy, der mit 10jähriger Verspätung jetzt auch hier erschienen ist. Castro, ein in Australien lebender Hongkong-Chinese, schrieb seinen Roman als melancholischen Ausklang der 80er. Das Geld ist Verdient, die Kartelle sind gegründet und gefestigt, die Party ist vorbei, die Liebe tot. Sein Held Pomeroy leidet und trinkt sich durch eine verwirrende Intrige in Hongkong, soll einen verschwundenen Redakteur finden, erinnert sich an seine Jugend in Hongkong, fliegt schließlich nach Australien, um dort seiner alten Liebe zu begegnen - und ab da beginnt der Roman leider, hinter sich aufzuräumen. Was vorher als verwirrendes Spiel mit Erzähl-Ebenen faszinierte, wird nun ein mäßiger Entwicklungsroman. Aus der heißblütigen und untreuen Estrellita wurde eine zerknirschte Gattin, aus dem verwegenen Vater Pomeroys ein Geschichtenerzähler, und Pomeroy selbst ist eigentlich schon 40 Seiten vorher innerlich gestorben, weshalb der Tod keinen Schrecken mehr besitzt.
Vorher hat Castro wundervolle Ideen. Sein Held entdeckt zum Beispiel ein kompromittierendes Video-Band mit einem kopulierendem Paar, das allerdings nur aus Nahaufnahmen besteht. Nie wird er diese Personen identifizieren können, einfach weil sie zu nah sind. Als Pomeroy einen Mord begeht, "zerbrach es irgendwo in meinem Körper die Zellen. Es machte mich minderwertiger. Obwohl ich meinen Vater sagen hörte, Moral sei wie ein Schiß mit Nasenklemme, muß ich mich doch erbrechen. Es war nicht Reue, die mich zerbrach; sondern Hochmut." Weil Castro dabei durch die Zeiten und Perspektiven springt, Anekdoten und Weltschmerz zueinanderbringt und seinem Held dabei kräftig eines auf die Mütze gibt, ist Pomeroy über 200 Seiten hinweg ein herzzerreißendes Buch. Die letzten 30 Seiten kann man ja weglassen.
Victor Lachner
Brian Castro: Pomeroy Aus dem Englischen von Hans J. Schütz. Klett-Cotta, Stuttgart 1998, 318 S., 38,- DM