KINDHEIT

Alter Anarch

Gerhard Polt plädiert für Stinkbomben

In einer Metzgerei aufzuwachsen ist ein Privileg ( ...). Im Gegensatz zu Brutstätten trostloser Fadheit, wie Kindergärten etwa, ist eine Metzgerei ein Event-Paradies und selbst die Horrorfilme für die Kleinsten sind eine matte Sache verglichen mit einer Hinrichtung - der Enthauptung eines Gockels zu Beispiel - , wo man in der ersten Reihe sitzt, wo das echte Blut spritzt" - wie so oft ist die Polt'sche Ironie, trotz einfachstem Satzbau, nicht leicht zu durchdringen.
Hundskrüppel - Lehrjahre eines Übeltäters heißt ein kleines Bändchen, in dem der Kabarettist Polt sich seiner Kindheit erinnert. Oder genau: der mehr oder minder rüden Streiche, die er und seine "Kindskollegen" (Polt) sich ausdachten. Eierwerfen im Kino, Stinkbomben in den Beichtstuhl, Foltern eines "Feindes" mit Hilfe eines Brennglases - da geht's nicht gerade zimperlich zu. In einem Interview hat Polt gesagt, als Kind habe ihn vorwiegend der Gedanke beschäftigt: "Wie kann ich einen Schaden anrichten?", und er bedauere es sehr, dass nach seiner Beobachtung eine heutige Kindheit viel angepasster verlaufe als damals. Es sei wichtig, dass man "als Kind zwar die Autoritäten, die Welt der Erwachsenen zwar erkennt, aber immer sucht: wo ist die Lücke?"
Hundskrüppel enthält eine Menge dieser Lücken. Der Tonfall der kurzen Kapitel ist ganz auf den Vortragsstil Polts eingerichtet, man hat beim Lesen sozusagen ständig seine Stimme im Ohr. Das macht es noch komischer.
Victor Lachner
Gerhard Polt: Hundskrüppel. Lehrjahre eines Übeltäters. Kein & Aber, Zürich 2004, 107 S., 12,90 ISBN: 3036951202