GESUNDHEIT
King Size
Essen macht nicht dick, drüber reden schon.
Während die Diät- und Wellness-Branche in Europa Milliarden-Umsätze einfährt, ändert sich an der Volksgesundheit oder am Durchschnittsgewicht wenig. Alle Untersuchungen etwa, die belegen, dass wir immer dicker werden, sind ziemlich offensichtlich gefälscht.
Das jedenfalls schreibt der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer in seinem Buch Esst endlich normal!, das sich mit der Branche und ihren Auswirkungen auf den Körper befasst.
Der sogenannte "Body Mass Index" (BMI) etwa ist eine Erfindung amerikanischer Versicherungstatistiker, die ihre Klientel nach Größe und Gewicht katalogisierten. Dabnei kam heraus: Ein BMI von 27 sollte als gesund gelten. Heute ist er auf 25 festgesetzt worden: mit einem Strich in der Statistik wurden Millionen Menschen fettleibig.
Industrie, Medien, Ärzteverbände und Politik hauen uns fortwährend ein Schlankheitsbild um die Ohren, das zwar nicht gesund ist, dafür aber viel Geld einbringt, weil es mit normalen Lebensgewohnheiten nicht zu erreichen ist. Dabei gibt es weltweit keine Untersuchung, die beweisen würde, dass Übergewicht und Sterberisiko einander bedingen, bestenfalls andersherum: Übergewichtige sind gesünder als die "Normalgewichtigen" und erheblich gesünder als die Hungerhaken.
Neben dem gesellschaftspolitischen Teil geht Pollmer auch auf physiologische Grundsätze ein. Etwa dass unser Gewicht eher genetisch festgelegt als angefressen ist. Dass jede Diät zwangsläufig dick macht. Dass die Kartoffel-Chips vor dem Fernseher weniger schädlich sind als das Fernsehen selbst. Die Glotze nämlich bringt unsere Tag-und-Nacht-Steuerung durcheinander. Und das immerhin ist bewiesen: wer falsch schläft, nimmt eher zu.
Wie schon in seinen vorherigen Büchern legt Pollmer sich mit allen gängigen Weisheiten und Koriphäen an. Als einizger weist er etwa darauf hin, dass der Film "Supersize Me" nicht der Wahrheit entsprechen kann; ein McDonalds-Brätling enthält immerhin weniger Fett als die Bulette daheim.
Vor allem geht es Pollmer diesmal um Kinder, die jüngsten Opfer des Diät- und Schlankheitswahns. Die werden keinesfalls immer dicker, wie überall behauptet wird, dafür immer essgestörter. Diäten für 5- oder 6jährige sind schwer im Kommen, selbst Ex-Verbraucherministerin Künast (die ein strunzdummes Buch zum Thema geschrieben haben muss, aus dem Pollmer geradezu wollüstig zitiert) rät Eltern, ihre Kinder zum Sport zu jagen und Kalorien zu zählen.
Dem Terror der Dünnmacher, weiß Pollmer, kann man nur wenig entgegensetzen. Außer Aufklärung. Und dem immer wieder zu betonenden Grundsatz: Esst, worauf ihr Hunger habt! Unser Körper hat eine Erfahrung in gesunder Ernährung, die erheblich älter ist jenes Bewusstsein, dass uns Beratungssendungen und Broschüren über Essverhalten konsumieren läßt.
Erich Sauer
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