SEX
Blick aufs Pornoland
Martin Amis & Stefano de Luigi haben hingeguckt
"Gore Vidal schrieb einmal, die einzige Gefahr beim Betrachten von Pornografie bestünde darin, dass man dann vielleicht noch mehr Pornografie sehen möchte, dass man vielleicht am Ende nichts anderes mehr tun möchte, als Pornographie anzusehen", schreibt der englische Schriftsteller Martin Amis in dem Bildband. Die Fotos, die Stefano de Luigi an wechselnden Pornosets der Welt gemacht hat, bedienen nicht die pornografische Betrachtungsweise - sie sind unscharf, scheinbar Momentaufnahmen einer harten Arbeit, dabei in ihrer grellen Farbgebung ganz ihrem Gegenstand verpflichtet. Wir sehen müde Mädchen, gelangweilte Männer, allerlei merkwürdiges Sexspielzeug - keine Welt, die in der man Leben möchte.
Das alles wäre aber nur die Hälfte wert, hätte Martin Amis nicht eine kleine Pornoreportage dazu verfaßt, die von der steineren Humorlosigkeit des Genres berichtet, von der zunehmenden Brutalisierung der US-Pornos (was etwa "Max Hardcore" seit Jahren mit Frauen anstellt liegt weit jenseits aller Vorstellungen, die Feministinnen sich einst von Pornographie machten; die Demütigung der Frauen im US-Porno ist längst keine ideell-sexuelle mehr, sondern eine direkt gewalttätige) und dem Tempo: nach 8 Monaten und 100 Filmen kann eine 18jährige Pornodebütantin bereits vom Markt verbraucht worden sein. Amis ist zu schlau, um daraus eine moralische Bewertung des Pornos an sich zu machen. Er schließt mit einer rührenden Sympathiekundgebung für die hart arbeitendenden Sexhandwerker. Und bekennt, dass er während des Drehs den Set dann doch frühzeitig verließ: als die schöne 20jährige Hauptdarstellerin vor der Kamera penetriert werden sollte, entdeckte er in sich viel zu viel Beschützerinstinkte, als dass er die Szene hätte beobachten wollen: "Ich sollte eigentlich nicht hier sein. Niemand von uns sollte hier sein. Aber wir haben alle unsere Arbei."
Victor Lachner
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