MONSTER

Irre auf der Insel

Ein seltsamer Abenteuerroman aus Spanien

Es beginnt wie eine Joseph Conrad-Erzählung: Ein Mann wird auf einer einsamen Insel als Wetterbeobachter abgesetzt. Ein Jahr soll er, nahe dem südlichen Polarkreis, Wetteraufzeichnungen und biologische Experimente im Auftrag einer Reederei durchführen. Er findet einen anderen Mann vor, der sich schnell als sein Vorgänger herausstellt. Der ist inzwischen verwildert, wortkarg, seltsam geworden.
Schon in der ersten Nacht verwandeln sich Buch und Geschichte: Meeresmonster greifen den Helden an, Haifischkörper auf Beinen. Er verschanzt sich in seiner Hütte. Und er weiß: das folgende Jahr wird ein Albtraum werden.
Trotz einiger Verwinklungen, die der Anthropologe Albert Sanchez Pinol in seinen Debut-Roman Im Rausch der Stille (im Original schöner: "La Pell freda") eingebaut hat, läuft das Buch recht gradlinig ab. Es folgen 100 Seiten Schlachten, Gemetzel der heftigsten Art, zu Hunderten werden die Monster in nächtlichen Abwehrgefechten niedergemacht, bis der Held, auch wenig überraschend und noch weniger glaubwürdig, plötzlich die Perspektive ändert: vielleicht kann man sich mit den sprachlosen Monstern aus dem Meer verständigen?
Es gibt eine - absehbare - müde Schlußpointe. Es gibt eine romantische, sehr einfühlsame Erzählweise. Aber es gibt keine Geschichte, die irgend einen Sinn ergäbe. Selbst wenn man das Buch als Fiebertraum nimmt, als Metapher für nicht enden wollende Gewalt, wird es dadurch nicht intelligenter; die Thematik "Irre auf der Insel" wurde schon besser behandelt.
Erstaunlich, dass es sich lange auf der spanischen Bestseller hielt und, laut Verlag, in 27 Sprachen übersetzt wurde. Vielleicht wohnt dem Original ein Zauber inne, eine sprachliche Doppelbödigkeit, die in der Übersetzung nicht herzustellen ist.
Victor Lachner
Albert Sanchez Pinol: Im Rausch der Stille Aus dem Katalanischen von Angelika Maas. S. Fischer, Frankfurt 2005, 252 S., 18,90 ISBN: 3100616022