MÄNNERPHANTASIEN
Die Hure muß sterben Goffredo Parises »Der Geruch des Blutes« mischt Testosteron und Intellekt Der Mann, Mitte 50, hat eine 25jährige Geliebte. Er braucht das, um der mütterlichen und platonischen Liebe seiner Frau zu entgehen. Er liebt seine Frau, sie weiß von der Geliebten, aber mit dem den Männern eingeborenen Trieb zur Einzelgängerei muß der Held das Heim in Rom manchmal gegen ein Zimmer auf dem Land eintauschen, wo er wild und einsam seinen Gedanken nachhängt, mit seiner Geliebten schläft und dabei an seine Frau denkt. Eines Tages legt auch die Frau sich einen Geliebten zu, einen 25jährigen ungehobelten Kerl mit leerem Verstand und immer hartem Schwanz. Sie setzt ihren Mann vor die Tür, und in langen, quälenden Telefonaten läßt der sich erzählen, was seine Frau so alles treibt. Die einst so Keusche läßt sich mit Lust von den Freunden ihres Geliebten ficken, wird zur Phallusanbeterin, während der Gatte sich in Eifersucht verzehrt. Er versucht, seine Eifersucht zu Rationalisieren, aber es hilft nichts. Am Ende des Romans ist die Frau tot, ermordet, der Mörder wird nie gefunden. Goffredo Praise hat den Roman Der Geruch des Blutes nie richtig beendet, es existiert ein Schreibmaschinen-Skript ohne Korrekturen, der Roman ist so strubbelig wie die Frisur des 25jährigen Lovers. Die fehlenden Korrekturen geben den Blick frei auf sehr männliche Nöte und Gedanken. Parise, weißgott kein sentimentaler Schwärmer, sondern ein Rationalist durch und durch, feiert das Animalische, das Trieb-Verhältnis zwischen Mann und Frau, und denkt dabei, wenn auch fein formuliert und wortreich begründet, einen ziemlichen Männermüll zusammen. Die Geschichte des Mannes, der selbst fremdgeht aber an den Affairen seiner Frau zugrunde geht, ist wahrlich nicht neu. Hier versucht einer, mit allem Verstand das zu erklären, zu entschuldigen, was eigentlich nur Heuchelei zu nennen ist, bei Parise aber "Der Geruch des Blutes" heißt: dieser Geruch weckt das Tierische, das Ursprüngliche im Menschen. Da kann man nix machen, und weil Parise ein Intellektueller war, fügt er an, dass der süßliche, metallische Geruch des Blutes auch immer leicht zum Lächeln reizt. Aber auch das hilft nicht. Die Frau, wenn sie sich sexuell begeistert, gibt sich masochistisch den Befehlen des Mannes hin (tatsächlich erlebt die untreue Gattin umso mehr Orgasmen, je mehr sie ihrem jungen Stecher zu Willen ist und seinen Anweisungen gehorcht). Der Ich-Erzähler leidet unter der vorgeblichen Primitivität dieses Verhältnisses, und eigentlich noch mehr darunter, dass eben seine Intellektualität ihm diese, seiner Meinung nach für Frauen notwendigen Dominanz verwehrt. Das ergibt eine schöne Doppelverlogenheit: Als Mann mit Kultur steckt man einer Frau nicht einfach ungefragt den Schwanz in den Mund. Aber wenn der Intellektuelle darunter zu sehr leidet, schreibt er halt ein Buch, in dem ein sensibler Mann mit Kultur darunter leidet, dass die Weiber genau das wollen, diese Luder. Parise befreit sich aus diesem Dilemma, indem er die Heldin, diese ungetreue Hure, bestraft und sterben läßt. Ist die lüsterne Gattin erst tot, kann der Held sie betrauern und gleichzeitig seine junge Geliebte beschlafen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Mehr muß man über Männer nicht wissen. Victor Lachner
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Goffredo Praise: Der Geruch des Blutes M.e. Nachwort von Cesare Garboli. Aus dem Italienischen von Monika Lustig und Viktoria von Schirach. Piper, München 2002, 276 S., 19,90 EU |