SEEFAHRT

Der Untergang

Die »Sturmlegende« versenkt einen deutschen Segler historisch korrekt

Es ist beinahe 50 Jahre her, da kippte mitten im Atlantik ein großes deutsches Segelschiff in einem Hurrikan um, sank schnell, riss einige Dutzend Matrosen mit sich in den nassen Tod, meist unerfahrene Jungspunde, und bescherte der jungen Bundesrepublik ihr Titanic-Erlebnis. Der Stolz der neuen Nation soff ab, und die größte internationale Suchaktion der Seefahrtgeschichte (80 Schiffe über mehrere Tage) erbrachte nur Trümmer und eine Handvoll Überlebende.
Der "Untergang der Pamir" gehört wohl, neben dem "Wunder von Bern", zu den Gründungsmythen der BRD. Damals war die Sache klar: Die Fußballer gewannen mit National-Tugenden, die Pamir ging wegen höherer Fügung verloren. Dass eher nationale Untugenden (Geldgier, Starrsinn, Gehorsam) zum Verlust des unmodernen Seglers führten, hat Johannes K. Soyener herausgefunden.
Der Hobby-Schriftsteller hatte es schon zu ein paar Bestsellern gebracht (historische Romane, teilweise mit nautischen Themen), als er zufällig auf Pamir-Akten stieß. Er setzte ein historisches Forschungsinstitut an die weitere Recherche und schrieb seinen schon halbfertigen Pamir-Roman nach den neuen Erkenntnissen noch mal um.
Dem droht jetzt das Schicksal, hinter dem schnelleren Eventmovie Der Untergang der Pamir und dem Buch zum Film etwas altklug ins Wasser zu fallen. Dabei hat Soyener doch die Wahrheit auf seiner Seite. Jedenfalls streckenweise. Der Roman zum Drama endet mit einer Titanic-Szene: Ein Überlebender krallt sich an ein Schlauchboot, denkt was Existentielles, Maritimes, und lässt dann los, um dem Ruf Poseidons zu folgen.
Als die Pamir im September 1957 unterging, war keine Besatzung im filmreifen Alter an Bord. Der Kapitän war über 60, der Bootsmann war noch älter und rheumatisch, die Crew bestand aus Matrosen-Schülern der Handelsmarine, die an Bord des alten Viermasters seemännische Tugenden lernen sollten. Die Reeder hatten Finanzierungsprobleme, der Kapitän hatte Probleme mit seiner Nazi-Vergangenheit, und das Schiff war eine unsichere Rostlaube.
Der ARD-Film machte daraus ein fix verplanschtes Heldensterben, Soyeners bis zum letzten Funkspruch realistischer Roman vertändelt seine antikapitalistische Wucht mit umständlicher Sprache. Er schreibt, als wäre er der Sohn von Karl May und Hans Dominik. Das ist schwer auszuhalten, aber immerhin wechselt er öfter spannungsfördernd die Zeitebenen. Gleich auf den ersten Seiten geht die Pamir unter, dann manipuliert jemand die Verhandlung des Seegerichts, plötzlich sind wir in der Nazi-Vergangenheit des Kapitäns bei Beute-Operationen.
Wenn die Story mal wieder im seemännlichen Gemunkel untergeht, kann man im Internet hinter Soyener und der Pamir herrecherchieren, unter www.pamir-Sturmlegende.de.
WING
Johannes K. Soyener: Sturmlegende. Die letzte Fahrt der Pamir Gustav Lübbe, Bergisch Gladbach 2007, 429 S., 22,95