FREUNDINNEN

Lähmende Liebe

Eine Freundschaft in Irland

Als Mary, das Landmädchen, in die Stadt kommt, um in einem Kaufhaus zu arbeiten, fühlt sie sich linkisch, hässlich, ahnungslos und verloren. Alles, was sie anfasst, misslingt, noch nichts ist zu merken von der eleganten alten Frau, die sie später einmal werden wird und die im Rückblick von der wichtigsten Begegnung ihres Lebens erzählt: Der Begegnung mit Harrie.
Harrie ist genau das Gegenteil von Mary. Sie ist wunderschön, lebendig, umschwärmt, spontan, sie sprudelt über vor Tatendrang und reißt Mary aus ihrer Lethargie. Was als Freundschaft beginnt, wird für Mary immer mehr zur Obsession. Ist Harrie nicht bei ihr, ist sie gelähmt, nichts was sie tut und denkt, hat ohne Harries Zuspruch Wert. Dabei gerät sie in eine Abhängigkeit, die um das Bedürfnis kreist, die Leere im eigenen Leben von der Daseinsfreude ihrer Freundin ausfüllen zu lassen. Als Harrie sich in einen Mann verliebt, eskaliert die Situation.
Was Marian O'Neill mit Humor und Ernsthaftigkeit erzählt, entwickelt sich zu einem psychologischen Drama. Marys Gedanken machen zunehmend Angst, immer bedrohlicher werden ihre Versuche, Harrie an sich zu binden, ein Ende, das einer Patricia Highsmith durchaus würdig wäre, ist in Sicht.
Was die irische Autorin in ihrem Debutroman entstehen lässt, ist eingebettet in die Atmosphäre des Irland von 1937. Das schillernde Leben in der großen Stadt, die Freiheit der Jugend und die Umgangsweise der Geschlechter miteinander sind wichtige Aspekte in O'Neills Roman. Die Autorin erzeugt Sympathie wie Verachtung für ihre beiden Hauptfiguren, und versteht es, Umfeld und Empfindungen eindrücklich zu schildern, dass man begreift, dass alles so kommen mußte wie es kommt.
Julika Pohle
Marian O'Neill: Miss Elliott. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Klett-Cotta, Stuttgart 2001, 253 S.