KATALOGBRÄUTE

Sehnsucht nach Ehe

Die USA haben als Projektion längst nicht ausgedient

Die Zeit des Kommunismus hat Darja aus Odessa nicht miterleben müssen. Sie kennt ihn nur aus Erzählungen ihrer Großmutter. An Stelle des Sowjetregimes ist nun die Mafia getreten. Von Wohlstand und Freiheit sind die meisten Ukrainer weit entfernt. Doch Darja ist stolz, schlau, fleißig und schön und sie will es aus eigener Kraft aus der Armut schaffen.

Ihr Job bei einer großen Reederei ist ein guter Anfang, würde ihr Chef nicht von ihr verlangen, mit ihm zu schlafen. Um ihren Unterhalt zusätzlich zu sichern, nimmt sie eine zweite Stelle bei einer Online-Agentur an, die ukrainische Frauen an Männer aus den USA vermittelt... USA - das Land der unbegrenzten Möglichkeiten!

Für Darja und andere junge Frauen aus Odessa klingt ein Leben in den Vereinigten Staaten wie ein Sechser im Lotto. Aber als Darja das große Los gezogen hat, entpuppt es sich als Niete.

Autorin Janet S. Charles gelingt es, Darjas Geschichte als leichte Kost zu präsentieren, mit viel Ironie und Witz, ohne dabei den Ernst des Themas zu vernachlässigen. Es scheint, als würden die ironischen Gedanken und Aussagen ihrer Protagonistin eine Überlebensstrategie sein, um den tristen, schweren Alltag zu ertragen. Diese Eigenschaft erleichtert es auch dem Leser, die Demütigungen, die Darja besonders in den USA erfährt, mitzuerleben, ohne dass er dabei die Dramatik übersieht. Mond über Odessa vereint Drama, Komödie und Tragödie in einer Geschichte über Träume, Vorurteile, Lebensfreude und Heimat.

Janne Hiller
Janet S. Charles: Mond über Odessa Aus dem Amerikanischen von Astrid Arz. C. Bertelsmann, München 2010, 446 S., 16,95,-