NACKT UNTER WÖLFEN
Japan sucks! Amélie Nothomb schreibt über ihre Erfahrungen in einem japanischen Konzern Nachdem in den 80ern vorübergehend der Eindruck herrschte, Japan und sein Wirtschaftsmodell würden demnächst die Weltherrschaft übernehmen, hat in den 90ern das asiatische Selbstbewußtsein doch arg gelitten. Das einst gepriesene Konzept der bedingungslosen Firmen-Loyalität (jeder Trottel behält bis an sein Lebensende seinen Job) ist ebenso obsolet geworden wie die Legendevon der japanischen Finanzkraft. Nur ein abenteuerliches Subenvtionsprogramm der letzten Regierungen hält das Bankensystem noch am Leben, japanische Konzerne wurden von West-Firmen gekauft (in den 80ern ging das nur umgekehrt), und wie verzweifelt das Establishment inzwischen ist, kann man auch daran sehen, dass jüngst eine Frau zum Außenminister gemacht wurde; das ist schon fast Kulturrevolution. Da ist es fast schon billig, wenn die böse Belgierin Amélie Nothomb jetzt eine satirische Geschichte vorlegt, in der sie ihre Erfahrungen in einem japanischen Konzern schildert: Mit Staunen und Zittern, so der Titel, habe man sich einst dem japanischen Kaiser nähern müssen, in den japanischen Firmen gilt dieses Konzept in der gesamten Hierarchie. Nothomb erzählt von ihrem unaufhaltsamen Abstieg als Westlerin: zunächst als Schreibkraft eingestellt, versagt sie bald in der Buchhaltung, um die letzten 7 Monate ihres Jahres-Vertrages die Kloschüsseln in der Herrentoilette zu putzen. Dazwischen liegen Szenen bizarrer Hierarchen-Kämpfe, Vorgesetzte brüllen ihre Angestellten nieder, weil jede Schande eines Arbeiters die Schande seines Chefs ist. Ehrlos beträgt sich schon, wer Eigeninitiative entwickelt; dem Chef bei einem Brüll-Anfall zu widersprechen, ist undenkbar - bei all dem Streß verkriecht sich die Nothomb eines Nachts unter dem Müll eines Papierkorbes, nachdem sie zuvor nackt durch die Firmenräume getanzt ist. Auch wenn "Roman" draufsteht, ist das schmale Bändchen eher ein boshafter Essay. Nach Belieben schiebt die Nothomb Bemerkungen über die japanische Kultur und das hoffnungslose japanische Frauenbild in die Geschichte. Weil sie ihre Kindheit dort verbrachte, weiß Amélie Nothomb sicherlich, was sie da über Japan erzählt. Trotzdem bleibt die Geschichte schwach: dramaturgisch bietet sie beinahe nichts - lethargische West-Tussi wird Opfer asiatischer Betriebskultur - analytisch bleibt sie derart eng am Beschriebenen, dass man letztlich auch nicht versteht, warum die Japaner sich so bekloppt benehmen. Nur eine Erkenntnis bleibt: Wenn man mit dem dort beschriebenen Wirtschaftssystem halbwegs erfolgreich sein will, muß man wirklich Tag und Nacht arbeiten. Thomas Friedrich
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Amélie Nothomb: Mit Staunen und Zittern Aus dem Französischen von Wolfgang Krege. Diogenes, Zürich 2000, 159 S., 32,90 DM |