KERLE

Mitte 30 und schon tot

Die Beerdigung des männlichen Selbstwertgefühls geht weiter

Diesmal macht der Italiener Paolo Neri den Nichtsnutz. Er ist Mitte 30, Übersetzer, Lagerarbeiter, Schriftsteller, verlassener Liebhaber, und wenn man Lebensüberdruss auf Flaschen ziehen würde, könnte Paolo Neris Held Learca vom Pfand leben.
Dass die Kerle um die 30 mitteilen, dass sie nichts mitzuteilen haben und darunter leiden - das haben wir ja inzwischen verstanden. Selbst das Geschrei um den Franzosen Houellebecq (Ausweitung der Kampfzone) konnte nicht vertuschen, dass noch nie so viel mäßig junge Männer so wenig im Kopf hatten - und darüber zu schreiben gewillt sind.
Nori hat, wie sein Held in Weg ist sie!, Russisch studiert, und er hat immerhin die Scham, mehr als anzudeuten, dass sein Held ein moderner Oblomow ist, ein Herumlieger und Nichtsentscheider, der nur darauf wartet, einer seiner Romane werde endlich veröffentlicht. Er trauert seiner verflossenen Liebe nach - wir verstehen allerdings nicht so ganz, warum - und macht lustlos mit einer ebenso unentschlossenen Rothaarigen herum, die ihm ab und zu den Schwanz aus der Hose holt, daran rubbelt und dann sagt: Mann, der ist aber hart! - sonst passiert nichts.
Natürlich hat der Held, wie immer in solchen Büchern, viel zu sagen über das Fernsehen, Schriftsteller, Anrufbeantworter, Lehrer, Literatur, Übersetzungen und Kino. Nur leider hat man das eine Buchseite später schon wieder vergessen, weil es so unwichtig war.
Es gibt doch Fotokopierer! Muß immer gleich ein Buch daraus werden?
Thomas Friedrich
Paolo Neri: Weg ist sie! Aus dem Italienischen von Olaf Matthios Roth. Wagenbach, Berlin 2000, 156 S., 29,80 DM