NOBEL-THRILL

Ganovenehre

Andreas Eschbach kreuzt Family-Plot mit Science Thrill

Der Klappentext zitiert Frank Schirrmacher von der FAZ, Eschbach habe "das Zeug zu einem deutschen Michael Chrichton". Stimmt, der kann auch mit Frauen nicht umgehen. Wir urteilten neulich eschbachfreundlicher, er sei so etwas wie der deutsche Dumas: eher Erfinder furioser Plots als packender Formulierungen, ein Fuchs in der Wahl der Erzählhaltungen, in Dialogen dagegen eher hoppelhaft. Der Nobelpreis, im letzten Jahr passend vor der Preisverleihung erschienen, ist immer noch aktuell. Erstens kalendarisch, denn bis zum 1. Februar müssen die neuen Kandidaten für die Wissenschaftsauszeichnung beim Komitee benannt worden sein, und zweitens inhaltlich, denn es scheint im Roman darum zu gehen, dass interessierte Kreise aus der Pharmaindustrie die Jury erpressen, um eine kommerziell verwertbare Preisträgerin durchzusetzen.
In den ersten Kapiteln erklärt Eschbach Geschichte und Regularien des Nobel-Preises, von drei überraschend versterbenden Jury-Mitgliedern und wie einem vierten die Tochter entführt wird. Deshalb wird ein unbeliebter Schwager aus dem Knast geholt, der Erfahrungen mit Industriespionage hat.
Plötzlich wandelt sich der Ton zur Ich-Erzählung: Gunnar Forsberg schildert seine Jagd nach den Entführern und Erpressern. Immer undurchsichtiger wird die Verschwörung. Macht die Polizei mit? Wer weiss warum fast immer, wo der Spion den nächsten Schritt hin setzt?
Mitten in die Räuberpistole platzt reinste Gartenlaube: Gunnar wuchs mit Schwester im Waisenhaus auf, beide flohen, schlugen sich kleinkriminell durch, bis er gewissenlos für Geld jeden beklaute, und sie einen noblen Professor heiratete. Der fuhr sie allerdings später im Suff tot. Was für ein Schicksal, dem "Mörder" der Schwester die eigene Nichte retten zu müssen!
Außerdem gibt es tatsächlich Gerüchte, ein Pharma-Riese habe mal einen Nobel-Preis gekauft, um gutes Börsen-Wetter zu machen. "Unfug", schnauzt Forsberg, "Laien-Analysten-Gewäsch".
Beim Safe- und Code-Knacken stösst er auf ein viel größeres Geheimnis: wie seit Jahren immer neue Krankheiten erfunden werden, um neue Medikamenten-Märkte zu schaffen. Sehr spannend, sehr kritisch - und ohne jeden Zusammenhang zum Nobelpreis und zur Nichte.
Mit einer kühnen Wendung entlarvt das letzte Kapitel die ersten als "parteiliche Erzählung". Der Thriller wird zur Soap, aber was Eschbach über Wahrheit, Wissenschaft und Welthass sagen wollte, hat er doch transportiert.
WING
Andreas Eschbach: Der Nobelpreis. Gustav Lübbe, Bergisch Gladbach 2005, 555 S., 22,90 ISBN: 3785722192