DEUTSCH

Gutbürgerliche Geiselnahme

»Stromberg«-Erfinder Husmann legt seinen ersten Roman vor

Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Seitenscheitel" hätte der Arzt bei Tills Geburt zu seiner Mutter sagen können. Till Reiners ist nicht trendy, sein Seitenscheitel ist es auch nicht. Er hat eine Frau, eine Eigentumswohnung, einen vierjährigen Sohn, ist Angestellter bei der Dresdner Bank und wohnt am Rande des Ruhrgebiets. Er ist 38 Jahre alt. Tills Leben ist vorhersehbar, geordnet und ziemlich deutsch und das ist auch gut so, eigentlich. Manchmal träumt er zwar davon, mit der Auszubildenden Jessica nach Paris durchzubrennen, aber fährt dann doch lieber noch schnell in den Supermarkt und kauft die von seiner Frau bestellte Gurke. So würde es bis zu seiner Rente weitergehen, doch dann tritt Bankräuber Nappo in sein Leben. Ab da ist alles gar nicht mehr vorhersehbar und schon gar nicht geordnet und Till Reiners ist auch nicht mehr der Seitenscheitel, der er mal war, aber irgendwie auch doch...

Ralf Husmann, Grimme-Preisträger und Drehbuchautor von "Stromberg" und "Dr. Psycho", knüpft mit seinem ersten Roman an die Erfolge seiner TV-Serien an. Mit Klischees aufräumen? Nicht bei Husmann! Mit absolut trockenem Humor bedient er so ziemlich jedes Klischee vom proletenhaften Harz IV-Empfänger, der in Hochhaussiedlungen zwischen einem Haufen Dönerbuden lebt, bis zur spießbürgerlichen oberen Mittelschicht, die ein Eigenheim hat und ihren Mülltonnen einen efeuberankten Verschlag baut. Husmann bleibt dabei auf keinen Fall oberflächlich. Ironisch und mit Liebe zum Detail beschreibt er zwischenmenschliche Beziehungen und schafft verschiedene Charaktere, die jedem Leser bekannt vorkommen müssen, sei es aus dem eigenen Umfeld oder aus den Medien.

Aber was wäre, wenn diese verschiedenen Charaktere, in eine für sie individuelle Ausnahmesituation gerieten, die durch ein und den selben Banküberfall mit Geiselnahme herbeigeführt wird? Dieses Szenario spielt Husmann in seinem Roman durch und lässt eine Geschichte entstehen, die vielleicht mit kleinen Abstrichen, in der Realität durchaus denkbar wäre. Nicht mein Tag erzählt von verwirklichten Träumen, verpassten Möglichkeiten, Sex, der hätte stattfinden können oder stattgefunden hat, Ansprüchen an das Leben, Gott als Radio-Dj und Prosseco als die Lösung fast aller weiblichen Probleme. Also von den wirklich wichtigen Dingen im Leben.

Janne Hiller
Ralf Husmann: Nicht mein Tag, Scherz, München 2008, 256 S., 13,90,-