SEX & POLITIK

Erotik gegen Terror

Die Lust der Frau als Befreiungsinstrument

Im Dorf zwangsverheiratet, flieht die junge Heldin in die Stadt, lernt dort einen smarten Arzt und die Freuden der Sexualität kennen. Die Liebe zerbricht letztlich an den Gelüsten ihres Libertins, die Frau kehrt in ihr Dorf zurück, wo sie als selbständige Bäuerin ihren Hof führt. Ende der Geschichte.
Dass Die Mandel, so der Titel des Romans der Marokkanerin Nedjma, es auf die Bestsellerlisten schaffte, liegt eher an der guten Public Relation-Arbeit des Verlages als am literarischen oder politischen Gehalt des Buches. Zwar ist Die Mandel bewundernswert direkt, wenn es um die Beschreibung der Unterdrückung der Frau in ländlichen Gegenden des islamischen Kulturkreises geht, aber analytisch ist das Buch dabei nicht.
In Interviews hat die Autorin behauptet, der 11. September 2001 sei ihr Schreibanlass gewesen, weil er alles verkörpere, was lustfeindliche Männer anzurichten imstande seien; von dieser Radikalität ist der Text weit entfernt.
Und die Erotik? In den spärlich gesäten expliziten Szenen geht es um die Entdeckung der weiblichen Lust. Wem das neu ist, der mag sich hier überraschen lassen.
Die Autorin schrieb unter Pseudonym ("Nicht einmal meine Familie weiss, dass das Buch von mir ist"), die islamische Gemeinde verbreitet bereits Hetzreden gegen Die Mandel, auf Arabisch konnte das Buch natürlich nicht erscheinen. Daraus eine "Macht der Worte" oder "subversive Kraft der Pornografie" ableiten zu wollen (wie es Salman Rushdie kürzlich tat), ist ein Fehler. Das Gegenteil eines Irrtums ist nicht immer die Wahrheit.
Victor Lachner
Nedjma: Die Mandel. Aus dem Französischen von Eliane Hagedorn, Bettina Runge. Droemer, München 2004, 250 S., 18,- ISBN: 3426196999