THRILLER
Wundersames Afrika Alle lieben Harold Nebenzal, den Konsalik mit Abitur Nichts gegen gute Unterhaltungsliteratur. Und schon gar nichts gegen solche mit aufklärerischen Absichten. Wie man beides aber so verdreht, daß einem beim Lesen dann doch eher übel wird - das ist in Harold Nebenzals Der Löwenkult nachzulesen, einem angeblich aus dem Amerikanischen übersetzten Thriller, der keinen US-Verlag zu haben scheint. Was wissen wir über Tribalismus? Über Schwarz-Afrika? Über Dritte Welt-Botschaften? Nun, Nebenzal weiß, was jeder Illustriertenleser weiß: daß Stammesfeindschaften schlimmer sind als Grenzkriege, die Elfenbeinküste so gut wie pleite ist und deshalb, so die erzählerische Ausgangssituation, das Konsulat der "Republik Ebenholzküste" seine Miete nicht bezahlen kann. Das Konsulat ist klein und mit einem Vertreter des Kwamu-Stammes besetzt, der von dem muslimischen und landesweit herrschenden Massawi-Clan verachtet wird. Aber Vizekonsul Hannibal Ndulu, Schüler der Stasi, gebaut wie ein Schrank und Mitglied es geheimen "Löwenkultes", hat eine schöne Frau, einen klugen Kopf und fast keine skrupel, wenn es darum geht, die Bösen zu töten. Damit läßt sich was anfangen. Vor allem hat Hannibal einen rituell bearbeiteten Schwanz: in seiner Jugend wurden kleine Steinchen implantiert, die seinem Organ das Aussehen eines Maiskolbens verleihen. Ein wesentliches Thema des Romans ist der ständige Hinweis darauf, wie sehr Frauen darauf stehen, von solch einem Noppenschwanz beglückt zu werden. Auch sonst ist Nebenzals Lieblingsthema der absonderliche Sex. Ob der faschistische Zahnarzt Dr. Zängli, der einmal die Woche seine ländliche Zahnarzthelferin Frau Waldvogel besteigt oder die schöne Schwarze Marie Blanche, die von einem kubanischen Soldaten gewaltsam in die Freuden der Fellatio eingeführt wurde: Nebenzal hat ein recht plattes Bild vom Sexualakt, der ausnahmslos in der lustvollen Demütigungen von Frauen besteht; deren Emanzipation zeigt sich darin, wie sehr sie diese zu genießen imstande sind. Zu dieser platten Sicht paßt die genußvoll geschilderte Brutalität, mit der Hannibal seine Opfer erledigt; da möcht' ich nicht ins Detail gehen. Es gibt auch eine Handlung, und ein bißchen riecht das auch nach Thriller. Aber wenn sie nicht gerade ficken, ist Nebenzal an seinen Figuren kaum interessiert. Widersprüche in deren Verhalten werden nicht gedeutet, scheußliche Gewaltakte nach Belieben verstreut, und am Ende werden die Guten belohnt und die Bösen bestraft. Nebenzal wäre gerne ein ironischer Schriftsteller. Dafür müßte er sich über die Plattheit seiner Figuren erheben. Aber zu einem philippinischen Mädchen, das fassungslos einen Nazi-Film sieht, fällt ihm nur ein: "Eine samenspritzende Orgie konnte sie verstehen, aber wer, wenn nicht ein kranker Geist, würde Menschen sehen wollen, die zu Tode gebombt wurden." Als Hannibal bei einem seiner Morde von einer ansonsten vollkommen unbeteiligten Hure überrascht wird, läßt er sich von ihr erst einen blasen, bevor er - Nebenzal betont es: ihr spermaverklebtes Gesicht vor einen Spiegel hält und sagt: sieh dich an, so wirst du vor deinen Gott treten - und ihr dann das Genick bricht. Alle mögen Harold Nebenzal. Warum eigentlich? Thomas Friedrich
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Harold Nebenzal: Der Löwenkult Aus dem Amerikanischen von Klaus Schomburg. Haffmanns, Zürich 1999, 287 S., 36,- DM |