Science Fiction

Phobopolis

Nathaniel Rich verbessert einen Helden in seinem Katastrophenroman »Schlechte Aussichten«

Die Zukunft lässt sich berechnen. Wenn man alle Daten und Fakten beisammen hat, weiß man, wie wahrscheinlich ein Atomkrieg ist und wann das nächste Mal in New York die Erde beben wird. Mitchell Zukor ist ein guter Mathematiker, ein exzellenter Statistiker und ein brillanter Prophet. Als Vertreter einer Firma, die Unternehmen gegen Katastrophen versichert, werden seine Prognosen und Szenarien geradezu ehrfürchtig befolgt. Zukor verdient mehr Geld mit seinem Katastrophismus, als er ausgeben kann. Einen Teil seiner Provisionen hortet er inzwischen im Kühlschrank, auch weil ihm die Prognosen über den nächsten Bankencrash bekannt sind.

Weniger bekannt ist, dass Mitchell Zukor schlicht Angst hat. Seit seiner Kindheit kann er sich nur durch die Welt bewegen, wenn er vorher alle Risiken und mögliche Fallstricke analysiert hat. Er verschlingt Bücher, Zeitungen, Doktorarbeiten zum Thema Katastrophen. Die Welt ist ihm ein einziges Phobopolis.

Als eines Tages die große Katastrophe kommt und New York in einer Flutwelle fast untergeht, entdeckt Zukor an sich eine seltsame innere Ruhe. Gemeinsam mit einer Kollegin setzt er sich in ein Boot und paddelt durch New York.

Die Beschreibung dieses untergegangenen New Yorks gehört zu den Höhepunkten von Nathaniel Richs zweitem Roman Schlechte Aussichten. Das Unglück trifft Zukor und den Leser ungefähr in der Hälfte des Buches, das sich in jeder Hinsicht nicht von dieser Katastrophe erholt. Denn was zuvor ein witziger, bisweilen fröhlich zynischer Roman über die Finanzwelt und ihre Ängste war, wandelt sich in der zweiten Hälfte zum Heilsbringer-Epos: Was können wir aus der Katastrophe lernen? Wird es uns besser machen?

Abgesehen von dieser ethischen Verblasenheit bewegt sich das Buch fortan in einem Szenario, das in den letzten Jahren vor allem im Comic vielfach und stringenter behandelt wurde: Die Abenteuer der Überlebenden in einer post-apokalyptischen Welt wurden in "The Last Men" bis "The Walking Dead" umfassend behandelt. Dem hat auch Rich nichts Neues hinzuzufügen.

Der erste Teil seines Romans ist trotzdem lesenswert.

Alex Coutts

Nathaniel Rich: Schlechte Aussichten. Aus dem Amerikanischen von Hannes Riffel. Klett-Cotta, Stuttgart, 2013, 367 S., 21,95