STERNENSCHROTT

Komet im Anflug

Schon wieder rast das Unheil aus dem All heran

Bill Napier weiss, was Asteroiden antreibt. Der britische Astronom gilt als präziser Kenner der gnadenlosen Himmelsmechanik - und ihrer grandiosen Folgen. Dass die Dinosaurier an einem Super-Einschlag ausstarben, hielt Bill Napier vor Jahren als erster Europäer für möglich. Jetzt lässt er uns denken, in ein paar Jahren könnten böse Russen dasselbe mit uns vorhaben.
Wow. Wer dieses Buch nicht verfilmt, gehört von einem Kometen erschlagen - und wer es vorher nicht umschreibt, von einem Meteor. Schon die die ellenlangen, mehrfach wiederholten Fachgespräche darüber, was da eigentlich über unseren Köpfen herumfliegt (weiche Kometen, harte Meteore) ... das wird man straffen müssen. Schon weil die Tricktechnik des Films vor dem wahren Ausmass des Ernstfalls versagt.
Die Story in Napiers Debüt-Roman kann aber so bleiben: mitgeschnittene Funksprüche enthüllen in naher Zukunft, dass das sowjetische Raumfahrtprogramm eine Fälschung war. In Wirklichkeit flogen die roten Sonden nicht zum Mars - sondern zu einem Asteroiden mit erdnaher Umlaufbahn, zündeten ein paar Bomben darauf und lenkten ihn so ab, dass er gegen 2010 auf Kansas stürzt. Hektisch versammelt die freie Welt ein paar Wissenschaftler, die Aufspür- und Abwehrmöglichkeiten erforschen sollen. Einer vermutet die Lösung in einem mittelalterlichen Manuskript, denn je länger man einen Asteroiden kennt, desto genauer kann man seine Bahn berechnen. Oder beeinflussen. Ausserdem wurde es ihm gestohlen, kurz bevor er zur Nemesis-Task-Force stiess.
Bis dahin hat Napier schon den frühen Michael Crichton, den mittleren Umberto Eco und den späten Tom Clancy als Stilvorbild benutzt - jetzt kommt noch etwas Ian Flemming dazu. Und Alfred Hitchcock. Der Wissenschaftler entkommt seinen Häschern über eine Variete-Bühne, im Sarg eines Zauberers, und entdeckt, dass Nemesis selbst eine Fälschung ist. Mehr wird nicht verraten. Auch am überzogenen Techno-Babbel keine Kritik. Oder daran, dass Nemesis 200 Seiten kürzer noch viel aufregender wäre; geschenkt. Schlimm ist nur, dass es keinen Anhang gibt, der die Wahrheit über die Gefahr aus dem Weltraum erklärt. Dass ein paar Tonnen Sternenschrott jeden Tag unsere Lufthülle kratzen. Dass ganze Regionen des Himmels im toten Winkel der Allüberwachung liegen. Dass die grossen Skywatch-Programme kein Geld für eine effektive Suche nach Kollisions-Kandidaten haben. Dass die Militärs das Nemesis-Szenario lieben, weil sie Reagans "Star Wars"-Idee wieder in Stellung bringen könnten.
Fragen Sie ihren örtlichen Astronomen-Verein. Und was man da von der anderen Theorie Napiers hält, die nur in einem Nebensatz vorkommt: dass es den Urknall gar nicht gegeben hat. Bzw. dass der Endknall viel wahrscheinlicher ist.
WING
Bill Napier: Nemesis Deutsch von Kim Schwaner. Wunderlich, Reinbek 1999, 556 S., 45,00 DM