BIO-PICS
Hose runter David Sedaris' autobiographische Stand-Up-Short-Stories Alles hat sich so zugetragen, vermutlich nicht ganz genau so nach Themen sortiert, und sicher nicht so komisch, wie David Sedaris es in den 17 Kurzgeschichten von Nackt (so heißt auch die letzte, habt Geduld) erzählt. Aber wohl auch kaum so ernsthaft selbstbeobachtend. Aus allem macht David Sedaris ein Comedy-Solo, mit sich selber als dem dicken Ende. Als Junge fällt er mit allerlei Tics in der Schule auf - aber als seine Mutter der besorgten Lehrerin beim Hausbesuch den Sohn als Pantomime gibt, wurde es doch noch ein schöner Abend. Als die Großmutter stirbt, wirft sich der College-Student aufs Bett und probiert Trauergefühle aus der Literatur an. Bis der Zimmergenosse mit dem Dope kommt. Als die Mutter Krebs kriegt, gibt es eine lange Auseinandersetzung über Fast Food und Sachen, von denen man vorher nicht weiß, wie sie schmecken ... David macht ein Praktikum in der Irrenanstalt, und überläßt uns die Lehren aus der Ausweglosigkeit. David trampt mit einer Freundin im Rollstuhl durch die Staaten, und beide nehmen jeden, den sie treffen auf die Mitleidstour aus. David ist kein guter Mensch, aber ein guter Beobachter, ein begnadeter Sammler skurriler Typen, der auch den größten Ekeln noch ein gutes Haar läßt - und den Helden immer wieder als Deppen vorführt. Und uns fast ganz Amerika: die Highball-Mittelschicht (Cocktails statt Kultur), die Provinz-Künstler, Erntearbeiter, Kleinkriminelle, Trucker, Kiffer, Nudistenkolonien, wiedergeborene Christen, Bus-Touristen, Immobilien-Lesben ... und nichtmal seine eigenen, sämtlich wenig erbaulichen, homosexuellen Episoden haben irgend etwas Sentimentales. Bzw. alles wird, gerade wegen seiner Ruppigkeit, und trotz des Kunstgriffs, den Nebenfiguren die tollsten Sätze zu geben, eine gefühlvolle Reise zur persönlichen Lebensweisheit. Und das Umgekehrte ist genauso wahr. Man darf Sedaris nicht mit vollem Mund lesen, schrieb das New York Times Book Review - aber man möchte es mit geschlossenen Augen tun, um sich selbst an der Stelle dieses Huck Finn, Candide oder Simplicissimus zu sehen. Und um zu übersehen, daß die Nummern, und die Zusammenstellung Nackt insgesamt, doch Längen, Wiederholungen, Konstruktionsfehler haben. Künstliche Darmausgänge etwa kommen dreimal zu oft vor. Und am Ende ist die Mutter immer noch nicht tot. Dann aber überläse man, daß Harry Rowohlt David Sedaris übersetzt hat. Und sich von Robert Crump erklären lies, wie die Kästchen heißen, in denen man seinen Gras-Vorrat aufbewahrt. Stash-Box. Das bleibt unübersetzt. Und das einzige, was David in Sedaris' Buch einmal ganz richtig macht, sind stash boxes, handgeschnitzt, aus Jade. WING
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![]() Sedaris und Rowohlt lesen Nackt |